Der Verkehr quält sich täglich durch Ditzingen. Foto: Simon Granville

Kommunen müssen die Verkehrswende schaffen – mit Hilfe von Leitfäden. In der Großen Kreisstadt entsteht der allererste Plan, bezahlt vom Land.

Die Stadt hat Erfahrungen mit Stau: Im Berufsverkehr, wenn eine Großbaustelle auf dem Weg zur Autobahn die Fahrspuren reduziert, wenn die Autobahnen 8 und 81 dicht sind. Es vergeht kaum ein Tag, an dem sich nicht die Autos Stoßstange an Stoßstange durch die Stadt quälen. Vor diesem Hintergrund hatte sich Ditzingen stark dafür gemacht, als Modellkommune ein neues Instrument des Landes zu erarbeiten, um dem Verkehr Herr zu werden. Ein Leitfaden soll den kleineren Kommunen dabei helfen, bis 2030 die Verkehrswende zu schaffen.

Diese Woche fand in Ditzingen ein erster Workshop dazu statt. Zwei Überlegungen standen sich laut der Stadtverwaltung gegenüber. Soll die Verkehrswende vor allem mit Hilfe von Investitionen und großen Veränderungen vorangetrieben werden oder stehen weiche Faktoren, wie eine bessere Planung vorhandener Angebote, im Fokus?

   

Was ist die Verkehrswende? Ein Fünftel weniger Autoverkehr, bis 2030 deutlich reduzierte CO2–Emissionen, mehr Rad-, Bus- und Bahnverkehr – das ist das erklärte Ziel des Landes. Um das zu erreichen, hat sich das baden-württembergische Verkehrsministerium konkrete Ziele gesetzt: Jedes zweite Auto soll klimaneutral fahren, ebenso sollen im Güterverkehr 50 Prozent der Tonnenkilometer klimaneutral zurückgelegt werden. Außerdem soll ein Fünftel weniger Autoverkehr in Stadt und Land unterwegs sein und jeder zweite Weg zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Konkret sollen bis 2030 die Emissionen im Verkehrssektor um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Daneben soll der verkehrsbedingte Lärm deutlich reduziert werden.„Dieses Ziel ist ambitioniert, aber nicht unrealistisch. Wenn die Verkehrswende und der Klimaschutz als Projekt zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, als Projekt aller verstanden wird, kann es gelingen“, teilt das Landesverkehrsministerium im Internet mit.  

   

Wie soll das gelingen? Ein bis 2024 vorliegender Klimamobilitätsplan soll eine Blaupause für die Stadt- und Landkreise darstellen, die Verkehrswende zu schaffen. Der Kreis Ludwigsburg ist der erste Landkreis in Baden-Württemberg, der einen Klimamobilitätsplan erstellt. Weil diese umfassenden Pläne die Ressourcen kleiner Kommunen übersteigt, entstehen für diese parallel so genannte „Aktionspläne für Mobilität, Klima- und Lärmschutz“. Kommunen bis 50 000 Einwohnern erhalten mit dem Aktionsplan einen eigenen Leitfaden. Er soll Kommunen als Blaupause für die Verkehrswende dienen. Der landesweit erste Aktionsplan entsteht in Ditzingen. Die Große Kreisstadt hatte sich beim Land erfolgreich als Modellkommune beworben. „Am Ende soll ein Leitfaden mit Checklisten stehen, der kleine Kommunen zeitsparend durch einen standardisierten Prozess der klima- und lärmschutzfreundlichen Verkehrsplanung führt“, teilt das Kompetenznetz Klima Mobil mit, die landesweite Anlaufstelle zu Fragen rund um Klimaschutz im Verkehr. 

   

Welche Kriterien führten zur Auswahl? „Eine Jury prüfte alle eingegangenen Anträge etwa anhand der Kriterien Umsetzbarkeit, Klima- und Lärmschutzbeitrag und Motivation“, sagt eine Sprecherin des baden-württembergischen Verkehrsministeriums. Wie viele Kommunen sich beworben hatten, wurde auch auf Nachfrage nicht mitgeteilt.

Was erwartet sich Ditzingen davon? Einerseits will die Stadt damit die Chance nutzen, bereits bei der Ausgestaltung der Aktionspläne in ihrem Sinne mitwirken zu können – sie wird ihn ja ebenfalls anwenden. Mit diesem Argument hatte der Bürgermeister Ulrich Bahmer (CDU) bei den Stadträten für eine Bewerbung geworben. Die Räte waren skeptisch: Manch einer bezweifelte den Sinn, Aufwand für ein weiteres Theoriepapier zu betreiben – das erst bei einer Realisierung sinnvoll sein würde. Die Stadt verspricht sich von der Beteiligung als Modellkommune auch einen Schub in der Argumentation innerhalb und außerhalb des Ortes für den Stadtbahnanschluss. Der Grundsatzbeschluss – mit dem sich die Kommune dann auch an eine millionenschwere finanzielle Beteiligung an dem Bahnprojekt bindet – steht noch aus. Derweil fand am Mittwoch ein erster Workshop mit verschiedenen lokalen und regionalen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft statt, unter Federführung eines Planungsbüros. Der nächste Workshop ist Ende März.