Rosemarie Trockel hat mit ihren Herdplatten-Bildern Kunstgeschichte geschrieben. Foto: VG Bild-Kunst/Axel Schneider

Rosemarie Trockel ist die erfolgreichste Künstlerin der Welt. Was ist dran an ihren Strickbildern und abstrakten Werken auf heißen Herdplatten? Die Schau in Frankfurt gibt Antworten und interessante Einblicke.

Auch Männer haben Hunger. Trotzdem kommt man nicht umhin, bei manchen Gegenständen zwangsläufig an Frauen zu denken. Ein Motiv scheint besonders stark mit Weiblichkeit assoziiert: Herdplatten. Deshalb genügt ein Blick auf die berühmten Bilder von Rosemarie Trockel, auf die sie die kreisrunden Platten von Elektroherden montiert hat – und schon läuft vor dem geistigen Auge der uralte Film ab vom Ringen der Geschlechter und dem Heimchen am Herd.

Manches Werk wird die Zeit überdauern

Für Rosemarie Trockel war es Glück und Fluch zugleich. Sie hat mit ihren Herdplatten-Bildern Kunstgeschichte geschrieben. Und auch wenn es ihr immer um mehr als feministische Appelle ging, werden diese mahnenden Herdplatten vermutlich nicht wie so viele Moden in der Kunst verschwinden, sondern dauerhaft einen Platz in den Kunstbüchern haben. Denn sie holen mit emanzipatorischem Impetus den weiblichen Kosmos ins Bild, Trockel nutzte die Form aber auch im Sinne Konkreten Kunst. Die ist besonders bei männlichen Künstlern beliebt und dreht sich um Geometrie, um Linie, Kreis und Quadrat.

Die breite Masse kennt ihren Namen nicht

Im MMK, dem Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, sollte man sich allerdings hüten vor diesen kreisrunden Herdplatten, denn einige hängen am Strom und sind glühend heiß. Die Botschaft ist deutlich: Selbst Heimchen am Herd sollte man nicht unterschätzen – denn auch sie haben ihre Waffen.

Das MMK würdigt nun in einer großen Gesamtschau das Werk von Rosemarie Trockel, die gerade siebzig Jahre alt geworden ist. Der breiten Masse ist ihr Name nicht vertraut, dabei ist sie eine der erfolgreichsten Künstlerinnen Deutschlands. Zumindest steht sie auch in diesem Jahr beim Capital-Kunstkompass unter den Top-100-Gegenwartskünstlern auf Platz vier.

Mit dem Bügeleisen ins Gesicht

In der Frankfurter Ausstellung begreift man sofort, warum sie seit Jahren diesen Platz an der Spitze der internationalen Kunst verteidigt. Einerseits spielen die Wandarbeiten und Skulpturen, die Videos und Objektkästen raffiniert mit der Kunstgeschichte und dem Kunstbegriff, aber viele Werke sprechen das Publikum auch ganz unmittelbar an. Für ihren Küchenvorhang wurden nicht etwa Perlen auf Schnüre gezogen, sondern hohle, zerbrechliche Eier. Dann wieder steht ein Bügeleisen vor einem Gesicht, das von der Hitze zerknautscht zu sein scheint. Immer wieder changiert Trockel gekonnt zwischen Poesie und handfester Aggression.

Symbol aus der Waschanleitung wird Kunstmotiv

Wenn sie das Wolle-Symbol aus der Waschanleitung im Pullover ins Bild holt, weiß man, dass sie auf weibliche Sphären anspielt. Neben den Herdplatten waren es die Strickbilder, die die Künstlerin bekannt machten. Auch in Frankfurt tauchen sie immer wieder auf, mal ist eine eigenwillige schwarze Form ins Bild gestrickt, mal überzieht perfektes Maschengewebe eine riesige Fläche.

Rosemarie Trockel, in Schwerte geboren, wuchs in einer Familie auf, die wenig mit Kunst am Hut hatte. Sie wollte zunächst Lehrerin werden und studierte an der Pädagogischen Hochschule in Köln, hängte dann aber doch ein Kunststudium an. Auf Reisen in die USA lernte sie Künstlerinnen wie Jenny Holzer und Cindy Sherman kennen und ließ sich anstecken von deren künstlerischer Auseinandersetzung mit weiblichen Perspektiven.

An Vorbildern abgearbeitet

Trockels Karriere verlief rasant: Documenta und Biennale von Venedig, New York und Sidney, überall wurde und wird ihr vielfältiges Werk ausgestellt. Sie selbst scheint trotzdem an der Bedeutung ihrer Leistung zu zweifeln. Auf einem Foto sieht man sie zwischen Stapeln von Kunstbüchern – als arbeite sie sich an den männlichen Kollegen und Vorbildern ab. In ihrem fast schmerzhaften Film „Continental Divide“ von 1994 verhört sie sich selbst. Mit Schlägen und Tritten will sie herauspressen, wer „the best Artist“ ist. Viele Namen fallen, Lüpertz, Hockney, Nan Goldin und Sylvie Fleury. Nur ihren eigenen Namen nennt sie nicht.

Trockel gibt sich als leidendes Genie

Ob sie ernsthafte Selbstzweifel plagen? In einem Plexiglaswürfel liegt Keramik, die an verkohltes Holz erinnert. Der Titel: „Art is Depression“. Das verrät eher, dass auch Rosemarie Trockel dem Bild des leidenden Genies anhängt, das spätestens seit van Gogh zum Künstlerimage gehört. Ob real oder kokett, die Schwermut scheint Trockel nicht zu lähmen. Die Frankfurter Schau macht deutlich, wie umtriebig die Künstlerin ist, die sich immer wieder neu zu erfinden versucht, mit Keramik, Stahl, Video arbeitet und zuletzt auch mit Zeitungsbildern: Sie hat Porträts von Frauen vergrößert, die in der Ukraine Angehörige verloren haben. Auch Putin ist zu sehen – auf Häftlingsfotos.

Aufs Schwein gekommen

Kassel
1997 macht Rosemarie Trockel Schlagzeilen bei der Documenta X in Kassel: Gemeinsam mit dem Künstler Carsten Höller baute sie ein „Haus für Schweine und Menschen“ – und stellte damit bereits lebende Tiere aus, lange bevor Carolyn Christov-Bakargiev das Thema Tier auf ihrer dOCUMENTA (13) im großen Stil verhandelte.

Info
Ausstellung im MMK Frankfurt bis 18. Juni, Di-So 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr