Die Polizei ermittelt nach dem Vorfall in der Wohngruppe. Foto: P/illip Weingand

Zwei Jugendliche in einer Wohngruppe geraten verbal aneinander. Dann holt einer ein Küchenmesser, sticht dem anderen in den Rücken und verletzt ihn dabei schwer.

Wegen zwei Boxhandschuhen ist ein Streit in einer Wohngruppe für Jugendliche der Paulinenpflege eskaliert. „Es handelt sich um eine gemischte Wohngruppe mit Jugendlichen unterschiedlichen Alters“, teilt Marco Kelch, Sprecher der Paulinenpflege, auf Nachfrage mit. Bei den beiden Jugendlichen, unter denen es zum Streit kam, handelt es sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMA), einer aus der Ukraine (16), der schon länger da ist. Der andere Jugendliche (15) komme aus dem arabischen Raum und sei erst seit drei Wochen in der Gruppe. „Der Streit entfachte sich an Boxhandschuhen, die nach der Benutzung nicht aufgeräumt wurden“, schildert Kelch den Vorfall. „Die Jugendlichen stritten sich verbal, konnten sich sprachlich aber kaum verständigen“, sagt er. „Es kam wohl zu Missverständnissen und dem Gefühl, beleidigt worden zu sein, mit der Folge eines Faustschlags des 16-Jährigen.“ In diesem Moment seien die Jugendlichen sofort getrennt worden, hätten dies akzeptiert und sich in unterschiedliche Räume zurückgezogen.

Ein Betreuer verhindert Schlimmeres

„Der geschlagene arabische Jugendliche besorgte sich nach einigen Minuten ein Küchenmesser, fand den anderen Jugendlichen und stach ihm von hinten in den Rücken“, berichtet Kelch. Der anwesende Mitarbeiter habe sofort wieder eingegriffen, sich und den Verletzten in der Küche eingeschlossen sowie Notarzt und Polizei gerufen. Der Verletzte sei noch im Krankenhaus, es bestehe keine Lebensgefahr, die Entlassung stehe bevor. Der Täter befindet sich aktuell in der Jugendpsychiatrie. „Er bedauert die Eskalation und hat an den Verletzten einen Brief geschrieben, in dem er um Entschuldigung bittet“, so der Sprecher der Einrichtung. Beide Jugendliche dürften nicht mehr in die Wohngruppe zurückkehren. Aktuell würden andere Unterbringungsmöglichkeiten geprüft.

Die anderen Bewohner der Wohngruppe waren bei dem Vorfall nicht anwesend, reagierten aber verstört und verängstigt. Sie wüssten, dass die beiden nicht zurückkehren dürfen. „Wir hatten derartige Angriffe bisher nicht. Nach dem handgreiflichen Streit, der zur Aufarbeitung anstand, herrschte erhöhte Aufmerksamkeit bei unseren Mitarbeitenden. Mit dem spontanen Racheakt mit einem Messer rechnete aber niemand.“

Jugendliche in der Jugendhilfe hätten in aller Regel keine andere Möglichkeit angemessener Unterbringung. „Wir haben intensive langjährige Erfahrung auch mit UMA, zur Zeit der großen Flüchtlingswellen der vergangenen Jahre lebten bis zu 120 geflüchtete Jugendliche bei uns“, sagt Kelch.

Die Arbeit beginne mit der Auswahl einer geeigneten Wohngruppe. „Wir gehen davon aus, dass der Vorfall eine Ausnahme war, werden aber künftig verstärkt auch mit diesem oder vergleichbaren Problemen rechnen müssen“, sagt Kelch.