Kerzen und Blumen stehen am Tatort auf dem Marktplatz neben einem Schild „Wer Polizisten angreift, greift uns alle an!“. Der Täter hatte am Freitagvormittag Teilnehmer einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz angegriffen und sechs Menschen verletzt, darunter einen Polizisten. Foto: dpa/Dieter Leder

Nach dem Angriff auf Teilnehmer einer islamkritischen Versammlung schwebt ein Polizist weiter in Lebensgefahr. Noch äußern sich die Ermittler nicht zu den Motiven des Täters. Hatte er die Tat geplant? Und ein Gewalt-Video auf TikTok, das zum Mord an „allen Ex-Muslimen und jedem Islam-Kritiker“ aufruft, sorgt bundesweit für Aufregung.

Als Reaktion auf ein gewaltverherrlichendes Video nach der Messerattacke in Mannheim hat Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ein hartes Vorgehen der Sicherheitsbehörden angekündigt.

Aufruf zum Mord an „allen Ex-Muslimen und jedem Islam-Kritiker“

Mit Blick auf ein offenbar im Onlinedienst Tiktok aufgetauchtes Video, in dem zum Mord an „allen Ex-Muslimen und jedem Islam-Kritiker“ aufgerufen wird, sagte Strobl: „Bei uns werden Verbrechen – ganz besonders Mordstraftaten – mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft und nicht gefeiert.“

Derartige Aussagen nach einer solchen Tat seien „abscheulich, niederträchtig und ekelerregend“, betonte Strobl. Das Landeskriminalamt habe „bei den aktuell laufenden Ermittlungen bereits IT-Ermittler zentral zusammengezogen“, fügte Strobl hinzu.

Faeser: „Widerwärtig und menschenverachtend“

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte das nach dem Angriff veröffentlichte Tiktok-Video scharf. „Den mörderischen Messerangriff zu verherrlichen, ist widerwärtig und menschenverachtend“, erklärte Faeser. Wer so etwas tue, müsse „mit aller Härte des Strafrechts verfolgt werden“, betonte die Ministerin. „Unsere Sicherheitsbehörden gehen dem konsequent nach.“

Mitarbeiter der Spurensicherung halten an einem Stand auf dem Mannheimer Marktplatz eine Kappe in den Händen. Foto: dpa/Uwe Anspach
Mitarbeiter der Spurensicherung stehen auf dem Marktplatz hinter einem zertrümmerten Stand. Foto: dpa/Uwe Anspach

Sechs Menschen bei Messerangriff verletzt

Ein Mann hatte am Freitag (31. Mai) auf dem Marktplatz in Mannheim bei einer Kundgebung fünf Mitglieder der islamkritischen „Bürgerbewegung PAX Europa“ und einen Polizisten verletzt. Die Schatzmeisterin von „PAX Europa“, Stefanie Kizina, betonte, die Attacke sei gezielt gegen Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger gerichtet gewesen.

Der 59-Jährige sei mit einem Messer im Gesicht verletzt worden. Stürzenberger und sein Umfeld innerhalb der PAX-Europa-Bewegung werden von den Behörden etwa in Bayern dem Bereich der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit zugeordnet.

Der bei dem Messerangriff verletzte Aktivist Michael Stürzenberger auf einer Kundgebung (Archivbild). Foto: dpa/Markus Scholz

Täter bisher polizeilich nicht aufgefallen

Bei dem Angreifer handelt es sich nach Angaben von Staatsanwaltschaft und Polizei um einen in Afghanistan geborenen 25-Jährigen, der seit 2014 in Deutschland lebt. Sein Motiv ist demnach weiter unklar. Er sei verheiratet, habe zwei Kinder und sei zuletzt im hessischen Heppenheim wohnhaft gewesen.

Die Wohnung des in Afghanistan geborenen Mannes sei am Freitagabend (31. Mai) durchsucht worden. Dabei wurden auch elektronische Datenträger sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Bislang sei der Mann polizeilich nicht in Erscheinung getreten, hieß es seitens der Ermittlungsbehörden.

Ihm wird versuchter Mord zur Last gelegt, wie die Staatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mitteilten. Der Mann sei polizeilich bislang nicht in Erscheinung getreten. Das Amtsgericht Karlsruhe erließ Haftbefehl wegen versuchten Mordes. Der bei dem Angriff verletzte Polizist befand sich laut Staatsanwaltschaft und Polizei am Samstag weiterhin in akuter Lebensgefahr.

Polizisten sind am 31. Mai 2024 bei der Durchsuchung einer Wohnung im Einsatz. Die Durchsuchung steht im Zusammenhang mit einem Messerangriff in Mannheim während einer Veranstaltung der islamkritischen "Bürgerbewegung Pax Europa". Foto: dpa/Rene Priebe

Motiv des Angreifers weiter unklar

Inzwischen versuchen die Ermittler weiter zu klären, wie es zu der Bluttat kommen konnte. „Was uns am meisten umtreibt, ist die Frage nach dem Motiv“, heißt es aus dem Landeskriminalamt. Zahlreiche Fragen seien noch ungeklärt und Gegenstand der Ermittlungen – so zum Beispiel die Herkunft der Tatwaffe. Über die Antworten darauf wolle man auch herausfinden, ob der Festgenommene die Tat geplant oder ob es sich um einen spontanen Angriff gehandelt habe.

Wie lief der Angriff ab? Gab es einen Mittäter?

  • Erstes Video im Netz: Schon kurz nach dem Angriff kursierte ein Video von der Tat im Internet: Darauf ist zu sehen, wie der Angreifer auf mehrere Menschen einsticht und Umstehende rufen: „Das Messer weg!“ Zu sehen ist auch, wie ein Beamter auf den Angreifer schießt. Mehrere Polizisten fixieren den Mann danach auf dem Boden. Nach Angaben von Polizei, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt wurde nur ein Schuss abgegeben.
  • Zweites Video aufgetaucht: Auf der Plattform X kursiert mittlerweile ein zweites Video des Angriffs. Die Bilder zeigen einen anderen Ablauf als den, den die Ermittler zunächst geschildert hatten. Anders als von den Ermittlern behauptet, sieht man in der Szene nicht, wie der Polizist einen Verletzten aus dem Gefahrenbereich bringt. Das zweite Video zeigt, dass zwei Männer den Täter bereits am Boden festhielten. Dann kommt ein weiterer Mann mit blauer Jacke hinzu und fängt an, auf einen dieser beiden Männer einzuschlagen. Auf diesen prügelnden Mann mit blauer Jacke stürzt sich dann der Polizist. Dadurch konnte sich der Täter befreien und auf den Polizisten einstechen.

Mannheimer OB: Bevölkerung ist verunsichert

Nach der Messerattacke hat Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) Unsicherheit in der Bevölkerung festgestellt. Man merke die Verängstigung und Verunsicherung der Menschen, sagte Specht, der am Samstagvormittag (1. Juni) für Bürgergespräche auf den Marktplatz gekommen sei, in einem Video des „Mannheimer Morgen“.

„Diese Gespräche sind jetzt sehr notwendig. Wir dürfen das Feld jetzt nicht anderen überlassen, sondern müssen Präsenz zeigen.“ Die Gespräche seien von Unverständnis geprägt, dass so eine Tat in Mannheim passieren könne.

Gleichzeitig verteidigte Specht das Vorgehen der Kommune, dass die Kundgebung der islamkritischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ auf dem Marktplatz nicht verboten wurde. „Die Versammlungsfreiheit als Grundrecht hat so einen hohen Stellenwert, dass es extrem hohe Hürden gibt, überhaupt eine Veranstaltung zu untersagen.“ Zuletzt fanden in Mannheim auch regelmäßig propalästinensische Demonstrationen von „Free Palestine“ statt, bei denen die Stimmung zunehmend aggressiver wird.