Friedrich Merz war bei Maybrit Illner locker und siegessicher. Foto: dpa/Michael Kappeler

Der CDU-Politiker Friedrich Merz dämpft bei Maybrit Illner im ZDF Erwartungen an eine Impfpflicht – und der Grüne Daniel Cohn-Bendit schwärmt vom starken Staat.

Stuttgart - Schon wagemutig wie Friedrich Merz sich am Donnerstagabend bei Maybrit Illner im ZDF 16 Stunden vor der Verkündung des Entscheids über den neuen CDU-Chef da als Sieger ankündigte. In der nächsten Sendung werde er hier „als CDU-Vorsitzender sitzen“, und auch sonst strahlte Merz eine ungewohnte Lockerheit und Entspanntheit aus, benutzte sogar dreimal den Terminus „alles gut“, beispielsweise in einem Dialog mit dem SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil über die Finanzpolitik und den „Taschenspielertrick“ – so nannte es die stellvertretende ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten – mit den vom Corona-Budget in den Klimaschutz verschobenen 60 Milliarden Euro.

„Alles gut, Herr Klingbeil“

„Sie haben die Wahl gewonnen, Herr Klingbeil, alles gut“, sagte Merz lächelnd und streitunlustig. Das Land habe kein Geldproblem, und er wolle nicht über Haushaltstitel streiten. Die Frage aber sei, „wie die Investitionen auf die Straße kommen“, so Merz, und entscheidend sei doch, ob der Regierung damit die Staatsmodernisierung, die Digitalisierung und Dekarbonisierung gelinge. „Wenn Sie das schaffen, haben Sie meinen Respekt“, sagte Merz zu Klingbeil.

Der grüne „Gutmensch“ wurde enttäuscht

So harmonisch da in der Finanzpolitik die Positionen waren, ausgerechnet in der Corona-Politik – genauer gesagt, bei der Frage nach der allgemeinen Impfpflicht – schimmerten Gegensätze durch. Allen voran machte sich der grüne EU-Politiker Daniel Cohn-Bendit dafür stark: „Es muss sein, sonst kommen wir nicht heil aus der Pandemie raus“, meinte er. Man habe im Sommer noch als „Gutmensch“ Vertrauen in die Vernunft der Menschen gehabt und geglaubt, die würden sich vernünftig verhalten und zum Impfen gehen, aber 20 Prozent hätten es immer noch nicht getan und so komme man nicht weiter, schließlich gefährdeten sie andere: „Ich darf doch auch nicht besoffen Auto fahren“, meinte Cohn-Bendit.

Der Ex-Sponti fordert hartes Durchregieren

Überhaupt war auffällig, wie der vor vielen Jahrzehnten zur Sponti-Szene gehörende Öko-Politiker den starken Staat einforderte. Dass man wegen der zum Teil widerstrebenden 16 Ministerpräsidenten in Deutschland eine „ohnmächtige Kanzlerin“ in der Pandemie erlebt habe, das sei doch „unverantwortlich“ gewesen. Und dann nannte Cohn-Bendit als Vorbilder zentralistische Länder, in denen „durchregiert“ werde in der Pandemie: Frankreich, Italien und Spanien. „Der Macron hatte in Frankreich 350 000 Leute sieben Wochen lang auf der Straße, da sind die paar Idioten in Sachsen doch gar nichts dagegen. Aber Macron hat seine Maßnahmen durchgezogen“, schwärmte der Grüne.

Klingbeil räumt einen Fehler ein

Auch Lars Klingbeil, der von der neuen Corona-Politik der Ampel behauptete, dass sie wissenschaftliche Expertise stärker einbeziehe und dass der neue Bundesgesundheitsminister „24 Stunden“ arbeite, sprach sich ziemlich eindeutig für die allgemeine Impfpflicht aus. Es sei ein Fehler gewesen, dass er früher mal dagegen gewesen sei, aber nun werde er angesichts der schlechten Impfquote dafür stimmen.

Merz sieht noch viele offene Fragen

Nachdenklicher äußerte sich Friedrich Merz. Die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sei ja nun auf dem Weg, die allgemeine Impfpflicht aber noch nicht gesetzlich ausformuliert, und er habe da „einige Vorbehalte“, wie das denn gehen solle. „Wir regeln wir den Vollzug? Wer kontrolliert die Impfpflicht?“ Man müsse die Bürger vor der nächsten Enttäuschung bewahren und die Politik davor, erneut einen Fehler zu machen. Man möge sich doch mal vorstellen, wenn ein Ungeimpfter nicht aus seinem Haus gehe und sich dort unbemerkt der Impfpflicht entziehe: „Wie setzen wir die denn durch?“ Allgemeiner Konsens war, dass ein zentrales Impfregister – das Spanien hat, Deutschland aber nicht – die Kontrollen erleichtern würde.

Rechte Hetzer gegen den Staat

Auch in der Bewertung der gewalttätigen Corona-Proteste waren bei den Studiogästen feine Unterschiede erkennbar. „Das sind rechte Hetzer, die den Staat zerstören wollen“, meinte Lars Klingbeil. Natürlich gebe es Menschen, die Angst vor dem Impfstoff haben und „Fragen müssen erlaubt bleiben“. Auch er erlebe in seinem Wahlkreis beispielsweise junge Frauen, die Angst haben, sie könnten nach einer Impfung nicht mehr schwanger werden. Aber wenn jemand „mit Fackeln vor Wohnhäuser zieht und Mordpläne hegt“, dann sei eine harte Antwort des Staates notwendig.

Von Wortbruch ist die Rede

Die Journalistin Schausten warnte davor, Ungeimpfte gegen Geimpfte auszuspielen, es sei eine Minderheit, die gewalttätig sei, aber „man muss wissen, mit wem man da auf die Straße zieht“. Schausten glaubt, dass die Diskussion über die allgemeine Impfpflicht die emotionale Debatte noch angeheizt hat. „Die Leute fühlen sich jetzt bestätigt.“ Vom Wortbruch der Politiker ist bei den Impfgegnern die Rede.

„Die pöbeln da rum“, sagt Merz

Eine Einordnung versuchte Friedrich Merz: Diese Corona-Pandemie sei jetzt seit zwei Jahren „Stress für die Gesellschaft“ und diese Stimmung werde von einigen Radikalen missbraucht. Er erlebe in Berlin, dass da selbst Menschen aus dem gut-situierten Bürgertum, die wirklich nichts mit der AfD zu tun hätten, plötzlich in einer veränderten Sprache und verächtlich über unser Land redeten: „Die pöbeln da rum – das ist eine Entgrenzung.“ Man müsse im gesellschaftlichen Dialog wieder den Respekt „hinbekommen“.