Schill-und-Seilacher-Werk in Böblingen am Zimmerschlag: Bis zu 100 der 420 Personalstellen am Standort könnten wegfallen, heißt es am Mittwoch. Foto: Stefanie Schlecht

Das Böblinger Chemieunternehmen Schill und Seilacher kämpft aktuell mit wirtschaftlichen Problemen: 7,5 Millionen Euro Personaleinsparungen sollen den angeschlagenen Konzern wieder auf Kurs bringen.

Schlechte Nachrichten vom Böblinger Zimmerschlag: Das Spezialchemie-Unternehmen Schill und Seilacher hat nach eigenen Angaben mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Das teilte das Unternehmen mit Hauptsitz in Böblingen am Mittwochabend mit. Um den Standort neu aufzustellen und bis ins nächste Jahrzehnt abzusichern, starte das Unternehmen in diesem Jahr eine herausfordernde Restrukturierung, heißt es weiter.

So wurden zwar bisher schon durch Anpassungen und Optimierungen mehrere Millionen Euro eingespart. Offen bleiben allerdings 7,5 Millionen Euro im Personalbereich. Die Zahl der Beschäftigten müsse daher um bis zu einhundert Mitarbeiter reduziert werden: „Wir werden das erste Mal in unserer Geschichte in größerem Umfang betriebsbedingte Kündigungen aussprechen müssen“, sagt Firmenchef Rüdiger Ackermann. In einer außerordentlichen Betriebsversammlung habe Geschäftsführer Jürgen Heck am Mittwoch auf Einladung des Betriebsrates die Gründe dafür erläutert.

Das 1877 gegründete Unternehmen entwickelt und produziert am Standort Böblingen Spezialchemikalien spezifisch für Kunden in der Industrie. Dazu gehören Chemiefasern sowie Additive für Leder, Papier, technische Textilien, Kosmetik und Haushalt. So werden beispielsweise Dämmmatten im Motorraum von Autos mit einem Flammschutz von Schill und Seilacher behandelt. In Duschgels finden sich Tenside, die für mehr Schaum sorgen. Doch die vergangenen Jahre haben dem Unternehmen zugesetzt.

„Es sind mehrere Faktoren zusammengekommen“, sagt Pressesprecherin Inci Ipek. „Einerseits machen uns steigende Rohstoffkosten zu schaffen, auf der anderen Seite die stark gestiegenen Frachtkosten.“ China sei der Hauptabsatzmarkt von Schill und Seilacher, gleichzeitig beziehe man viele Rohstoffe von dort. Teurere Frachtkosten schlagen sich also doppelt durch. Ein massiver Stellenabbau am Standort Böblingen soll den angeschlagenen Konzern nun wieder auf Kurs bringen. Von den derzeit 420 Mitarbeiten könnte bis zu einem Viertel wegfallen.

Betriebsrat und Gewerkschaft reagiert empört

Betriebsrat und Gewerkschaft reagieren mit Unverständnis und Empörung auf diese Entscheidung. „Durch die geplanten Entlassungen ist der übrig bleibende Betrieb nicht mehr leistungsfähig und in Zeiten des Fachkräftemangels die Zukunft des ganzen Werkes in Böblingen bedroht“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Florian Böttinger. Gemeinsam mit der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie will er um jede Stelle kämpfen.

Der Geschäftsführer Jürgen Heck appellierte an ein gemeinsames Vorgehen von Belegschaft und Unternehmensführung. Mitarbeiter, die aus Altersgründen ausscheiden, sollen nicht nachbesetzt werden und die „normale Fluktuation“ genutzt werden. Das werde aber nicht reichen, heißt es weiter. „Wir waren immer ein fairer Arbeitgeber, und das werden wir auch jetzt beweisen“, sagte Heck. Für den 9. Februar sind erste Verhandlungen mit dem Betriebsrat angesetzt.

Schill+Seilacher

Das Unternehmen
Die Schill-und-Seilacher-Gruppe ist ein weltweit tätiges Spezialchemie-Unternehmen mit insgesamt etwa neunhundert Mitarbeitenden.

Standorte
Der Konzern operiert an den Standorten Hamburg, Pirna, in Villa Rica und Akron in den USA, sowie dem Hauptwerk in Böblingen.

Produkte
Das Unternehmen entwickelt und produziert Spezialitäten für die Papierveredelung, technische Textilien, Chemiefasern, die Lederherstellung, für Kosmetikrohstoffe und Feinchemikalien nach Kundenwunsch.

Historie
Seit Gründung 1877 bis zum Jahr 2019 war die Firmengruppe in Familienbesitz. Die Wurzeln liegen im 19. Jahrhundert in Heilbronn und Stuttgart-Feuerbach. Nach dem Krieg siedelte sich Schill und Seilacher in der Schönaicher Straße in Böblingen an.

Eigentümer
Letzte Eigentümerin aus der Gründerfamilie war Ingeborg Gross. Noch vor ihrem Tod 2019 übertrug sie die Firmengruppe an die Ingeborg-Gross-Stiftung mit Sitz in Hamburg und die Stiftung „Pro Humanitate“ mit Sitz in Liechtenstein, die sie eigens dafür gegründet hatte.