Talkmaster Markus Lanz (Archivbild) Foto: ZDF und Markus Hertrich/Markus Hertrich

SPD, Grüne und FDP tüfteln einen Koalitionsvertrag aus. Themen wie Flüchtlingspolitik fanden im Wahlkampf aber kaum statt. Bei Markus Lanz wurde das diskutiert – eine Teilnehmerin in der Runde dürfte stark polarisiert haben.

Hamburg - Einige Themen wurden im Bundestagswahlkampf etwas umschifft. Das mag wahlkampftaktische Gründe haben oder Konzeptlosigkeit – Talkmaster Markus wollte am Mittwoch im ZDF den Finger in die Wunde legen, und fragte: Wie geht die Ampel, so sie denn zustande kommt, mit der Flüchtlingskrise um, die jetzt wieder in Belarus und Polen, aber auch anderswo wie Kroatien sichtbar wird?

Darüber diskutierten der frühere FDP-Bundesinnenminister im Kabinett Schmidt, Gerhart Baum, der Migrationsforscher Gerald Knaus, Cansin Köktürk, eine Sozialarbeiterin und Grünen-Basismitglied und die Journalistin Kerstin Münstermann von der „Rheinischen Post“. Besonders wegen Köktürk dürfte die Sendung in Erinnerung bleiben. Zunächst ging es aber um eine Bestandsaufnahme: Wie verlaufen die Migrationsströmungen eigentlich gerade?

Der Soziologe Gerald Knaus erklärte das perfide System, das im polnisch-belarussischen Grenzgebiet herrscht. Flüchtlinge landeten dort im „Niemandsland“. Belarussische Behörden würden die Geflüchteten zunächst über die Grenze nach Polen geleiten, wo diese mit ihren Schleppern per Smartphone Kontakt aufnehmen könnten. Doch dort warteten bereits die polnischen Behörden, die die Menschen zurück in den Wald schickten – mit der Aufforderung, zurück nach Belarus zu gehen. Aber dort werden sie nicht mehr reingelassen.

Harte Bilder fürs TV

„Entweder man ist in Polen oder in Belarus, dazwischen gibt es nichts“, warf Gerhart Baum ein. Gerald Knaus entgegnete, dass Polen soeben ein Gesetz verabschiedet habe, das das Zurückstoßen von der Grenze erlaube – was EU-Recht völlig zuwiderlaufe.

Die Journalistin Kerstin Münstermann vertrat den Standpunkt, dass der Westen es hier in Wahrheit nicht mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu tun habe, sondern mit Russlands Machthaber Wladimir Putin, der im Hintergrund die strippen ziehe. „Hybride Kriegsführung“ heiße das. Wie die aussieht, zeigten diverse Einspieler, in denen auch Misshandlungsszenen in Grenzgebieten gegenüber Flüchtlingen zu sehen waren. Starker Tobak, auch nach 23 Uhr.

Besonders schwer zu ertragen waren die Bilder für Cansin Köktürk, eine Sozialarbeiterin, die auch Grünen-Parteimitglied ist und jüngst durch eine flammende wie kritische Rede zu den Ampel-Gesprächen aufgefallen war. Sie leitete ein Jahr selbst eine Flüchtlingsunterkunft, kennt solche Schicksale nicht nur aus Videoaufnahmen, wie sie sagte.

Diskussion um bedingungsloses Grundeinkommen

„Während wir hier philosophieren, sterben dort Menschen“, sagte Köktürk. Vielleicht denke sie so, weil sie Sozialarbeiterin sei: „Wir labern nicht, wir handeln.“ Ihr fehlt das Verständnis dafür, dass Deutschland dies bei der Flüchtlingsfrage angeblich nicht genauso handhabe.

Gerhart Baum sah sich bemüßigt, die realpolitische Perspektive einzunehmen: „Wir haben hunderte Millionen Menschen auf der Welt, die keine Zukunftsperspektive haben.“ Es handle sich um ein globales Problem, das Deutschland nicht alleine stemmen könne.

Dann driftete die Diskussion etwas ab – unterhaltend blieb es trotzdem. Als Lanz von Celin Köktürk wissen wollte, was diese in ihrem Arbeitsalltag in der sozialen Arbeit erlebe, ließ diese die Gelegenheit nicht ungenutzt, ihre Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen zu formulieren, „um die 1500 Euro Netto.“

Baum altersmilde, Lanz angriffslustig

Dem FDP-Politiker Gerhart Baum ist trotz einer gewissen Altersmilde der Leistungsbegriff nicht ganz fremd geworden. „Eine Lebensperspektive kann doch nicht in einer Rente bestehen“, sagte der. Die beiden wurden an diesem Abend keine Freunde mehr. Etwas später sprach Köktürk davon, dass sie es für „skandalös“ halte, dass so viele junge Menschen bei der Bundestagswahl FDP gewählt haben. Baum, so zumindest sein Gesichtsausdruck, traute seinen Ohren kaum.

Dann schaltete sich Markus Lanz ein. Bohrte nach, ob Köktürk so ein „paternalistisches Verhalten“ vom Staat wirklich wünsche, der Geld gibt und sagt: Wird schon alles gut! Diese entgegnete immer wieder, Lanz möge sie bitte nicht unterbrechen und ihr das Wort nicht im Mund herumdrehen. Es entstand ein Schlagabtausch, an dessen Ende Lanz zwar souveräner wirkte, auch weil die deutlich jüngere Kontrahentin bisweilen Anflüge von Patzigkeit zeigte. Dennoch schien Lanz am Ende beeindruckt. Er machte Pausen, man sah, wie es in ihm arbeitete.

Schließlich sagte er: „Ich würde mich freuen, wenn wir uns hier mal wieder sehen“, und dann ein bisschen zu sich selbst „und ich würde Sie gerne mit einem so richtig harten Jungliberalen zusammenbringen.“