Er hat nichts mehr zu sagen: Martin Georg Cohn muss den Schlüssel abgeben. Foto: Simon Granville

Die Narren übernehmen das Zepter, der Marktplatz ist voll wie selten und ganz Leonberg ist auf den Beinen.

Es ist ein Sonntag, wie er nicht hätte besser sein können: Die Sonne scheint, und es ist richtig was los in Leonberg. Kein Wunder, es ist Pferdemarkt mit einem abwechslungsreichen Programm aus Rathaussturm, Guggenmusiktreffen, Pony-Gespannwettbewerben im Reiterstadion, Vergnügungspark, Flohmarkt und verkaufsoffenem Sonntag – und alle wollen dabei sein. Die Besucher flanieren von einem Standort zum anderen, vor allem Familien mit Kinderwagen nutzen gerne den kostenlosen Bus-Ringverkehr, um von der Leonberger Altstadt bis nach Eltingen zu kommen. So voll war es auf den Gehwegen und Plätzen der Stadt schon lange nicht mehr. Dass das närrische Volk und sein Hofstaat drei Jahre lang epidemiebedingt auf einen Rathaussturm verzichten musste, zeigt sich auf dem Leonberger Marktplatz, auf dem so viele Menschen zusammengekommen sind wie selten oder vielleicht sogar nie zuvor.

Dort zerrt der neue 1. Vorsitzende der Gesellschaft Engelberg, Werner Busch, mit Unterstützung der Waldhexen den Leonberger Oberbürgermeister vor das närrische Gericht. Martin Georg Cohn hat angesichts der Übermacht wenig zu lachen, wird er doch noch dazu kurzerhand umgetauft in „Aston Martin Georg Cohn“ weil er kurzzeitig ein Auto hatte wie James Bond 007. Cohn hat derweil genug von der Aufregung über den Autokauf und kontert, „private Dinge sollten privat bleiben“.

Kann er mit Geld umgehen – oder nicht?!

Viele weitere Themen stehen auf der Anklageliste, wie die Leerstände im Leo-Center, die fehlenden Radwege, der Weggang des Rettungshubschraubers oder auch ein maroder Gehweg in der Schlossstraße. Vorgeworfen werden Cohn auch die hohen Schulden der Stadt, aber er macht deutlich, „ich würde nicht hier stehen, könnt ich nicht mit Geld umgehen“ und verweist auf die Schulen als Gegenwert. Immerhin bemüht sich die Stadt, Geld zu sparen, aber an der falschen Stelle zu sparen ist den Narren ein Dorn im Auge, zum Beispiel bei der Einsparung der Giebelbeleutung in der Weihnachtszeit. Sorgen bereitet den Narren auch das Konzept der Stadt von Morgen, denn wenn der Engelbergtunnel gesperrt ist, geht nichts mehr in Leonberg, Konzept hin oder her. Bei Cohns Antwort großer Applaus aus dem Publikum: „Warum musste man den alten Tunnel sperren, damit haben wir uns viel verbaut“.

Das Urteil des närrischen Völkchens für die Obrigkeiten im Rathaus ist schnell gefasst, sie werden zur Strafe in unterschiedliche Kitas versetzt. Baubürgermeister Klaus Brenner darf dort mit Bauklötzen spielen, die Erste Bürgermeisterin Josefa Schmid soll mit den Kindern singen, und Oberbürgermeister Martin Georg Cohn soll den Kindern mit einem Bobbycar zeigen, wie man umweltfreundlich unterwegs ist. Mit den Bobbycar-Testfahrten des OB auf der Bühne ist Werner Busch aber nicht zufrieden, und so wird Cohn verdonnert, den Kindern lieber vorzulesen.

Party und Shoppen – das passt

Nach dem Rathaussturm geht die Party erst richtig los auf dem Marktplatz, der zum Musikfestival der schrägen Töne wird. Wer genug Musik auf die Ohren bekommen hat, flüchtet ab 13 Uhr in die Geschäfte, die bis 18 Uhr geöffnet sind. Jetzt heißt es Kontrastprogramm und in Ruhe bummeln, schauen, Schnäppchen machen, denn überall gibt es spezielle Pferdemarkt-Angebote. Wer sich auf dem Marktplatz die Taschen gefüllt hat, der steigt in den kostenlosen Ringbus und fährt weiter zum Shoppen ins Leo-Center.

Anschließend bleibt Zeit für einen Bummel über den Vergnügungspark an der Steinstraße mit seinen Fahrgeschäften oder für einen Stopp am Reiterstadion mit den ersten Pferdebewertungen und Ponyreiten für Kinder, bis es wieder reingeht in den Bus in Richtung Flohmarkt auf dem Gelände eines Einkaufsmarktes. Dort ist einer der rege genutzten Umstiegspunkte nach Eltingen. Nächster Halt ist die Mörikeschule, und hier direkt liegt das Herrenmodegeschäft der Familie Schmidt. Der quer mit dem Bus oder zu Fuß durch Leonberg und Eltingen gereiste Gast kann jetzt erst mal verschnaufen und sich an der Theke laben, denn hier gibt es traditionell für Kunden und Besucher ein Gläschen Sekt, Wein oder einen Kaffee, ein paar Snacks und gute Gespräche, zusammen mit der neuesten Frühjahrsware in Sachen Herrenmode. Die darf dieses Jahr ein bisschen frech sein, salbeifarben ist „in“ bei Steppjacken und bequemen Stretch-Jersey-Anzügen oder neudeutsch Sneaker-Suits, berichtet Inhaber Marc Schmidt.

„Jeden Tag ist was geboten“

Joachim Heller von der Werbegemeinschaft Faszination Altstadt und Geschäftsführer von Ziegler Wohn- und Tischkultur zieht ein positives Fazit der ersten Pferdmarkttage und freut sich, dass bereits der neue Eröffnungsevent am Freitag so gut angenommen wurde, auch weil die Lokalmatadore Eddy & Friends eine super Stimmung gemacht haben. „Es gab bisher nie eine wirkliche Eröffnung für den Pferdemarkt, weil der ursprüngliche Haupttag der Dienstag war. Aber auch der verkaufsoffene Sonntag, den wir vor etlichen Jahren ins Leben gerufen haben, hat sich bewährt und ist gut eingebettet in die Pferdemarkttage, sodass bis Dienstag mittlerweile jeden Tag etwas geboten ist.“