Spaziergang mit tierischen Geschichten aus der Leonberger Altstadt Foto: Simon Granville

Unter dem Titel „Hundehauptstadt, Pferdefest, Jagdwahn: Spaziergang mit tierischen Geschichte(n) aus der Altstadt“ gibt Lokalhistoriker Gerd Jenner Einblicke in die Historie Leonbergs.

Es hat damit begonnen, dass der umtriebige Heinrich Essig 1828 die verwitwete Kronenwirtin am Leonberger Marktplatz geheiratet hat. Doch die Enge der Altstadt setzte ihm Grenzen und so verkaufte er 1835 das Anwesen für 6000 Gulden und erwarb die Sägemühle im Glemstal für 2500 Gulden. Endlich hatte er Kapital und genug Platz, um seinen Traum zu erfüllen: die Hundezucht.

„Er wollte einen Renommier-Hund schaffen, stattlich, von ruhigem Charakter, ohne Jagdtrieb und in den Farben eines Löwen“, erläuterte der Lokalhistoriker Gerd Jenner den weit über 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Stadtrundgangs unter dem Titel„Hundehauptstadt, Pferdefest, Jagdwahn: Spaziergang mit tierischen Geschichte(n) aus der Altstadt“.

Es sollte bis 1846 dauern, bis es Heinrich Essig gelang, eine Rasse zu erschaffen, die den Namen eines kleinen württembergischen Fleckens in die weite Welt hinaustragen sollte. Als guter PR-Mann schaffte es Essig, Kaiser, Könige, Adlige, Politiker und Geschäftsleute davon zu überzeugen, dass sie so einen Hund „brauchten“ und bereit waren, bis zu 1000 Gulden zu bezahlen – der Leonberger Schulleiter hatte zu jener Zeit ein Jahresgehalt in Höhe von 650 Gulden.

Selbst die beiden Erzfeinde, den französischen Kaiser Napoleon III und den deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck, einte eine gemeinsame Leidenschaft – die Leonberger Hunde. Um den Gästen der Führung zwei richtige Leonberger vorzuführen, hatten die Organisatorinnen vom Stadtmarketing die Leonberger Züchterin Melanie Kaisser mit ihrer Hündin Jara und aus Weil im Dorf den imposanten Rüden Drago mit seiner Halterin zu dem Rundgang eingeladen. Der startete am Marktbrunnen.

Wiehern, Grunzen und Gegacker

„Hier am Brunnen war das meiste Stadtleben, denn hier gab es das für Mensch und Tier unentbehrliche Nass, hier war lautes Wiehern, Muhen, Grunzen, Gegacker und Geschnatter zu hören“, weiß der Historiker Gerd Jenner. Am Brunnen war über Jahrhunderte die Pferdeschwemme, ein Tümpel, an dem Pferde und andere Zugtiere nach der Arbeit ins Wasser geführt, gesäubert und getränkt werden konnten.

Noch in den Nachkriegsjahren musste der Bürgermeister Gotthold Ege die Leonberger ermahnen, Haustiere wegen der zunehmenden Autos nicht einfach auf der Straße herumlaufen zu lassen. „Noch in den 70ern liefen Ochsen auf der Straße frei herum und angesichts der vielen Misthaufen war es nach einer Woche Regen ein Abenteuer, durch die Hintere Gasse zu laufen“, so Jenner.

Natürlich darf in einer tierischen Leonberger Stadtgeschichte das Pferd nicht fehlen, ob es als Zugtier für die Feuerspritzen im Alten Rathaus diente, oder dem Omnibus von Baltasar Horrer, dem Wirt des Schwarzen Adlers, vorgespannt wurde, der 1843 die unvorstellbare Zahl von zwölf Personen nach Stuttgart befördern konnte. Aber die Hauptrolle spielt es beim großen Leonberger Pferdemarkt, der 1684 als örtliche Wirtschaftsförderung von Herzog Friedrich Karl am zweiten Dienstag im Februar genehmigt wurde, damit Pferde nicht im Ausland, in Baden, gekauft werden mussten. Feilgeboten wurde über Jahrhunderte aber auch Hornvieh, Hunde, Schweine und Geflügel. Zu Glanzzeiten des Marktes wurden hier bis zu 1600 Pferde vorgeführt.

„In den prächtigen Fachwerkhäusern am Marktplatz wohnten die betuchten Leonberger, aber nur wenige Schritte weiter die einfachen Leute, wie etwa in der Schmalzgasse“, schilderte der Lokalhistoriker am Beispiel des Hauses auf Nummer 10. Stall und Scheune waren unter einem Dach. „Die kleinen Fenster oben im Giebel, die heute verglast sind, waren immer offen, denn das war das Eulenloch“, erläuterte Jenner. „Bei wem Eulen nisteten, war ein Glückspilz, denn diese vertilgten Mäuse, die sich in Scharen über die Vorräte der Menschen hermachten.“

Das meist gehasste Haus der Stadt

Natürlich kann bei einer tierischen Stadtführung auch das Thema Jagd nicht fehlen, zumal das Leonberger Schloss bis zur Fertigstellung der Solitude 1763 hauptsächlich als Jagdschloss genutzt wurde. Es war Ausgangspunkt etwa für das große fürstliche Hirschwasserjagen im Leonberger Forst am 8. Oktober 1748 bei dem 400 Tiere erlegt wurden. Für die Jagd war ein herrschaftliches Privileg für das die Untertanen zu Frondiensten verpflichtet waren, als Treiber, mit den Fuhrwerken, als Hundeführer und zahlreichen anderen Arbeiten. „Deshalb war das fürstliche Jagdhaus, das an der Ecke der Graben- mit der Seestraße stand, seinerzeit das meistgehasste Haus in Leonberg“, weiß Stadthistoriker Gerd Jenner.