Das Land ist reich an kleinen Grundschulen. Foto: dpa/Marijan Murat

Was plant Kultusministerin Schopper gegen den Lehrermangel? Und welchen Expertenrat ignoriert sie, obwohl er zum Land besonders gut passt? Ein Überblick.

Mit einem Bündel von 18 Maßnahmen will Kultusministerin Theresa Schopper Ressourcen für eine bessere Lehrer- und Unterrichtsversorgung an Baden-Württembergs Schulen erschließen. Die wichtigsten Stellschrauben, mit denen die Grünen-Politikerin den grassierenden Mangel abmildern will, sind eine Einschränkung bei den Teilzeitoptionen für Lehrer und eine höhere Unterrichtsverpflichtung für Referendare. Zudem will das Land die Werbung für den Beruf intensivieren, mehr Möglichkeiten zum Direkteinstieg schaffen und Hürden bei der Zulassung von Pädagogen aus dem Ausland senken.

Die zentrale Veränderung für die Lehrkräfte im Land ist, dass sie ihre Arbeitszeit nur noch um maximal 25 Prozent reduzieren können, sofern ihr Antrag nicht mit Kinderbetreuung oder Pflegenotwendigkeiten in der Familie begründet ist. Das Recht auf Teilzeit aus familiären Ursachen bleibt uneingeschränkt erhalten; wer „sonstige Gründe“ anführt, muss künftig aber 75 Prozent seiner vorgesehenen Unterrichtsstunden erfüllen. Insgesamt arbeitet im Südwesten mit 76 000 Lehrkräften die Hälfte in Teilzeit; Schoppers Einschränkung triff rund 14 000 Personen, also etwa jeden fünften. Die Referendare müssen pro Woche eine Stunde mehr unterrichten. Im Gegenzug wird ihnen die wissenschaftliche Arbeit zum Ende des Referendariats erlassen.

Pläne wirken erst im übernächsten Schuljahr

Mit diesen beiden Instrumenten will Schopper rund 500 Lehrerstellen gewinnen. Allerdings kann dies erst zum übernächsten Schuljahr umgesetzt werden. Der Grund ist, dass die nächsten Referendare schon eingestellt und die Teilzeitanträge für das nächste Schuljahr bereits gestellt worden sind. Für das neue Schuljahr will Schopper wie schon im Vorjahr an die Lehrkräfte appellieren, ihre Arbeitszeit freiwillig aufzustocken.

„Wir haben die Giftzähne nicht ausgepackt“, sagte die Ministerin in Stuttgart zu ihrem Paket und verwies darauf, dass die Teilzeit aus sonstigen Gründen angesichts der Notlage an den Schulen auch hätte auf null gestellt werden können. Schopper rechnet damit, dass der Lehrkräftemangel die Schulentwicklung noch zehn Jahre lang prägen wird. Die Opposition im Landtag und die Lehrerverbände üben durch die Bank Kritik an dem Paket.

Jede vierte Schule hat unter hundert Schüler

In Baden-Württemberg ist der Lehrermangel auch deshalb besonders groß, weil das Land sehr viele und besonders kleine Schulen hat. Laut den Daten von Statistischem Bundes- und Landesamt hat von 4393 öffentlichen allgemeinbildenden Schulen im Südwesten einschließlich der Förderschulen jede vierte weniger als hundert Schüler. Dazu gehören allein 776 Grundschulen. 253 Grundschulen haben sogar weniger als sechzig Schüler, erklärte das Statistische Landesamt gegenüber unserer Zeitung.

Im Interesse einer ausgewogenen Lehrerversorgung hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz deshalb auch die Zusammenlegung kleiner Schulen empfohlen. Der SWK-Vorsitzende Olaf Köller stufte gegenüber unserer Zeitung die Zahl von 150 Schülern bei weiterführenden Schulen bis zur zehnten Klasse als kritische Untergrenze ein.

„Da kriselt es, weil die Schule vieles gar nicht mehr anbieten kann“, betonte Köller. Außerdem sei in kleinen Schulen das Schüler-Lehrer-Verhältnis zwar oft günstig. Die Kehrseite sei jedoch, dass an Großstadtschulen mit heterogener Schülerschaft dann nur noch eine ungünstige Betreuungsrelation angeboten werden könne.

Schulen im Land sind kleiner als im Rest der Republik

Bei einem Vergleich mit den anderen 15 Bundesländern zeigt sich, dass Baden-Württemberg mit seinen knapp 992 000 Schülerinnen und Schülern nach Nordrhein-Westfalen mit 4660 Schulen und fast 1,8 Millionen Schülern die zweithäufigsten öffentlichen Schulen unterhält. Im Durchschnitt hat eine Schule im Südwesten 226 Schüler, bundesweit sind es 269, in Nordrhein-Westfalen 377. Eine Auswertung der Bildungsstatistik belegt, dass mit einer Ausnahme alle Schularten im Südwesten im Bundesvergleich besonders klein sind.

Während in Baden-Württemberg durchschnittlich 159 Erst- bis Viertklässler eine Grundschule besuchen, sind es bundesweit 196. Auf jeder Haupt- und Werkrealschule sind hierzulande 164, im Schnitt aller Länder sind es 191 Kinder und Jugendliche. Ein Gymnasium im Südwesten hat 692 Schüler – bundesweit sind es 754. Eine Gemeinschaftsschule hat 161 (Bundesdurchschnitt: 550) und eine Förderschule 93 (122) Schüler. Einzig die Realschulen im Land liegen mit durchschnittlich 478 Schülern im Mittel derjenigen Länder, in denen es diese Schulart noch gibt (475).

Bei einer Schulleitertagung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vermittelte Schopper den Eindruck, dass sie wenig Neigung hat, sich das unpopuläre Thema Schulfusionen und den damit verbundenen Ärger aufzuhalsen. Wenn sich zwei Gemeinden freiwillig darauf verständigten, die Grundschule am einen und die Gemeinschaftsschule am anderen Ort zu konzentrieren, sei das natürlich zu begrüßen, erklärte Schopper.