In der Leonberger Altstadt herrscht vor und in den Locations reges Treiben. Hier zeigt die Gruppe Aufbruch ihre Arbeiten in Melis Haarstudio. Foto: /Jürgen Bach

Große Resonanz bei der 17. Langen Kunstnacht in Leonberg. Beim Rundgang durch die 25 Ausstellungen ist gefühlt die ganze Stadt unterwegs

Bei fast mediterranem Klima und trotz einiger Regentropfen strömen bestens gelaunte Besucher durch die Leonberger Altstadtgassen und in die unterschiedlichen Kunst-Räume der 17. Langen Kunstnacht in Leonberg, kurz: Lakuna.

„Kunst muss betrachtet werden, daher ist es schön, dass so viele Menschen heute unterwegs sind“, ist das Fazit einer begeisterten Besucherin, die es sich zusammen mit einer Freundin im Atelier von Hans Mendler auf der alten Ledercouch mit einem Glas Rotwein gemütlich gemacht hat. Trotz der frühsommerlichen Temperaturen an diesem Abend ist der gusseiserne Ofen im Atelier angeheizt und strömt wohlige Wärme aus, während die Menschen Mendlers abstrakt-bunte Werke und Gespräche über Kunst, über Gott und die Welt genießen.

Ein Anziehungspunkt im Atelier sind auch die von Márta Mendler gefilzten Wandbilder aus Wolle und Naturalien, die tierische Wesen zeigen. Zu späterer Stunde ist hier im Schaffensraum der Mendlers kaum noch ein Durchkommen, erst wenn Gäste weiterziehen zur nächsten Ausstellung gibt es wieder Platz für andere Neugierige.

Besucher legen im Galerieverein ihre Ohren an die Bilder

Gleich nebenan im Galerieverein bietet sich zunächst ein seltsames Bild: Die Besucher legen ihre Ohren an einige der Bilder. Sie lauschen an dem 50 Meter langen Wandbild aus handgeschöpftem Papier des Künstlers Clemens Schneider. „Talking Paper“ heißt seine experimentelle Werkreihe, in der Papier als Klang erzeugendes Medium eingesetzt wird. Das Papier wird während des Schöpfens um eine weitere Zutat ergänzt: sogenannte Piezokristalle, die es mit Hilfe von elektrischer Spannung zum Klingen bringen.

Die bunte Welt der Mendlers und das fast monochrome, aber sprechende Papier von Clemens Schneider stehen beispielhaft für die Vielfalt der künstlerischen Techniken, die bei der Lakuna vertreten sind. Das ist es, was die Kunstnacht auszeichnet, stellt auch der neue Leonberger Amtsleiter für Kultur und Sport, Florian Streib, fest: „Die Lakuna trifft die Themen der Zeit, wie Vielfalt, Dialog, die Freiheit im Ausdruck und sie schafft eine Verbindung zwischen den Menschen und den unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen.“

Und diese Unterschiede werden auch an den anderen Kunst-Stationen sichtbar. Direkt auf dem historischen Marktplatz zeigt die in Leonberg geborene Kommunikationsdesign-Studentin Sophie Döll in einem umgebauten Wohnwagen als rollende Galerie einen Querschnitt ihrer Arbeiten, mit denen sie sich nicht auf einen Stil festlegen möchte. Acryl-Collagen stellt sie aus, Drucke, Sticker, T-Shirts und sogenannte Zine-Hefte, kostengünstig produzierte Broschüren, die einen Querschnitt ihrer Arbeiten zeigen.

Ein umgebauter Wohnwagen als rollende Galerie

Hier auf dem Marktplatz ist die beste Gelegenheit für einen ersten Zwischenstopp auf dem Rundgang durch die 25 Ausstellungen, sich kulinarisch etwas zu stärken und sich dann auf den Weg zu weiteren Künstlern zu machen.

Oberbürgermeister Martin Georg Cohn, der mit seinem neuen Kulturamtsleiter durch die Lange Kunstnacht streift, stellt fest: “Die Kultur spielt eine wesentliche Rolle in Leonberg. Man spürt, dass die Menschen nach Kunst dürsten, alle Galerien sind voll und die ganze Stadt ist auf den Beinen.“

Sogar in einem ehemaligen Tresorraum ist Kunst zu sehen

Auch die alten Räumlichkeiten der Volksbank und sogar der ehemalige Tresorraum kommen bei der Lakuna zu neuen Ehren. Hier stellt Harry Berndt erstmals seine Arbeiten bei der Lakuna aus. Rote und grüne Wiesenlandschaften aus gekratztem Acryl auf Leinwand kontrastieren mit Bildern, die rote und goldene Monde in Spiritustechnik zeigen. Spannend auch sein „Frame Filling Project“, bei dem sich der Künstler von alten Bilderrahmen inspirieren ließ und sie mit seiner Kunst neu befüllt hat. Diese Bilder hängen an einem Bauzaun, da in dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude kein Nagel in die Wand geschlagen werden darf. Aus der Not wurde eine Tugend, der Bauzaun mit dem Bilderrahmenprojekt wird zum eigenständigen Kunstwerk.

Auch bei der etwas ab vom Schuss außerhalb der Altstadt gelegenen Alten Schuhfabrik schauen etliche Besucher vorbei. Die dort in den Ateliers arbeitenden Kunstschaffenden kämpfen an einem Infostand für ihr Anliegen, das sanierungsbedürftige Gebäude in eine Kulturfabrik umzuwandeln, anstatt es anderer Nutzung zuzuführen.

Baulicher Wandel der Stadt dokumentiert

Gebäude zu zeichnen, dadurch zu bewahren oder auch den städtebaulichen Wandel festzuhalten ist das künstlerische Anliegen von David Pain, der sich mit seinen Zeichnungen Gebäuden im gesamten Stadtgebiet von Leonberg widmet. „Vieles verschwindet“ heißt die Ausstellung, die im Leonberger Stadtmuseum noch bis zum 16. Juli zu sehen ist. Alte Häuser, Mauerwerk, Dächer und Scheunen faszinieren Pain als Motive für seine Zeichnungen.

Er dokumentiert so den baulichen Wandel der Stadt und bewahrt manches Gebäude vor dem endgültigen Verschwinden.