Im Wahlkampf-Entspurt kam Kanzler Olaf Scholz (rechts) nach Köln, um den SPD-Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty zu unterstützen. Bei der Wahl hatten die Sozialdemokraten ein beträchtliches Mobilisierungsproblem. Foto: AFP/INA FASSBENDER

Der Wahlausgang im größten Bundesland ist ein weitere Warnschuss für Kanzler Olaf Scholz. Aber noch können die Sozialdemokraten darauf spekulieren, dass aus der Niederlage am Ende ein Sieg wird.

Für den Wahlkampf-Endspurt an Rhein und Ruhr hatte sich SPD-Chef Lars Klingbeil ein ganz besonderes Argument ausgedacht: Wenn es Spitzenkandidat Thomas Kutschaty gelänge, den CDU-Mann Hendrik Wüst aus der Düsseldorfer Staatskanzlei zu vertreiben, dann könnten die Regierungen in Land und Bund künftig Hand in Hand gehen. „Thomas Kutschaty hat das, was Herr Wüst nicht hat: Einen direkten Zugang zum Kanzler, ins Kanzleramt, in die Regierung rein“, sagte Klingbeil. „Und das wird Nordrhein-Westfalen sehr helfen.“

Ob das Argument bei der Landtagswahl an diesem Sonntag auf den letzten Metern tatsächlich zog, erscheint angesichts des Wahlausgangs fraglich. Die SPD hatte in ihrem traditionellen Stammland ein erhebliches Mobilisierungsproblem und fuhr das schlechteste Ergebnis seit 1947 ein. Dennoch hoffen die Sozialdemokraten weiterhin, dass der Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen gelingt.

„Schwarz-Gelb ist abgewählt“

So lautete die Sprachregelung der Berliner SPD-Führung am Sonntagabend: „Die bisherige Landesregierung von Schwarz-Gelb ist klar abgewählt worden.“ Es gebe unter den Wählern einen großen Wunsch nach Veränderung, sagte Generalsekretär Kevin Kühnert. Und: „Natürlich darf auch der Zweitplatzierte Verhandlungen über eine Regierung führen.“ Die CDU habe das schließlich in anderen Ländern auch schon getan.

Etwas weniger eindeutig klang das beim sozialdemokratischen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der in Köln zu Hause ist. „Das Wahlergebnis ist enttäuschend. Das muss man ganz klar einräumen.“ Noch hoffe er zwar, dass es am Ende für eine „progressive Mehrheit“ unter Führung der SPD reichen wird. Aber es sei jetzt zunächst an den beiden Wahlgewinnern CDU und Grüne, Gespräche über eine Regierungsbildung zu führen.

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So erlebt die SPD seit einigen Wochen bei diversen Wahlen eine regelrechte Achterbahnfahrt der Gefühle: Ende März der Triumph im Saarland, wo die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit errangen. Vor einer Woche dann die Niederlage historischen Ausmaßes in Schleswig-Holstein. Und jetzt eben der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen. Der ist zwar auch eine Niederlage. Noch fühlt er sich aber nicht ganz so an, weil irgendwie ein Sieg daraus werden könnte.

Die Verantwortung des Kanzlers

Doch selbst wenn es dazu kommen sollte: Für Kanzler Olaf Scholz ist das Ergebnis ein weiterer Warnschuss. In der Ukraine-Politik haben ihn viele Bürger als zu zögerlich wahrgenommen. Scholz hat auch ein Kommunikationsproblem. Gesundheitsminister Lauterbach sagte am Wahlabend: „Man kann die Bundesregierung hier nicht ausklammern, das ist ganz klar.“

Ob die Landtagswahl Scholz‘ Berliner Ampelkoalition nun stärkt oder schwächt, wird davon abhängen, wer in Zukunft an Rhein und Ruhr regieren wird. Schwarz-Grün im größten Bundesland würde die Ampel eher schwächen, ein Bündnis unter Führung der SPD hingegen eher stärken.

Käme es dazu, hätte dies aus Sicht von Kanzler Scholz auch einen äußerst angenehmen Nebeneffekt: Es würde den Parteien der Berliner Ampelkoalition zwar immer noch keine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat verschaffen. Aber ihre Position in der Länderkammer gleichwohl deutlich verbessern.