Kunst mit Fingerspitzengefühl: Die Dätzinger Künstlerin Gudrun Achterberg verwendet für ihre Arbeiten Braille-Schrift. Foto: /Bischof

Vor vier Jahren hat die Dätzingerin Gudrun Achterberg im Rathaus von Grafenau einige Aufmerksamkeit für ihre Ausstellung mit Kunst für sehende und blinde Menschen bekommen. Jetzt hat sie ihre Arbeiten auch im Stuttgarter Rathaus präsentiert.

Ein buchstäblich berührendes Beispiel dafür, was Kreativität leisten kann, gibt Gudrun Achterberg mit ihrer Ausstellung „Augen-Blick-mal“. Die Künstlerin mit Wohnsitz im Grafenauer Ortsteil Dätzingen hat vor vier Jahren eine Präsentation für sehende und blinde Menschen konzipiert. Ausstellungsort war 2018 das Rathaus der Gemeinde Grafenau. Jetzt finden ihre Arbeiten auch im Stuttgarter Rathaus Beachtung.

Gudrun Achterberg hat für ihre Präsentation Porträt- und Schattenfotografien auf Textilbahnen gedruckt und diese mit Grafiken und Texten in der Blindenschrift Braille ergänzt. „Ich möchte Menschen mit und ohne Sehbehinderung zusammenzuführen“, erklärt die auf Textilkunst spezialisierte Gudrun Achterberg ihre Motivation hinter der Ausstellung „Augen-Blick-mal“. Auch in früheren Arbeiten, bei es ihr um die Verwandlung der Dinge in der Textilkunst geht, wandte sich die Künstlerin bereits den Menschen in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang und ihren Festlegungen zu.

Begleitbuch zur Ausstellung in Groß- und in Braille-Schrift

„Heute sehe ich noch immer blinde und sehbehinderte Menschen am Rande unserer Gesellschaft. Diese Festlegung möchte ich mit meinem künstlerischen Schaffen durchbrechen“, sagt Achterberg. In einem zweijährigen Gesprächsprojekt mit sehbehinderten und blinden Mitwirkenden entstanden Lebenstexte mit freudigen, aber auch erschütternden Inhalten. Sie sind in einem illustrierten Begleitbuch zur Ausstellung in Großschrift und in Braille auch für Blinde erfahrbar gemacht.

Die Braille-Codierung findet sich in vergrößerten Punkten auch auf den Bildwerken. Teile der Biografien bilden somit als gepunktete Flächen eine Symbiose mit den fotografischen Formen.

Kunst als Brücke zwischen den Menschen

Als weiteres Stilmittel greift die Künstlerin auf eindrucksvolle Schattenfiguren zurück, die im Bild metaphorisch auf das Blindsein hinweisen sollen. „Allerdings in einem doppelten Sinne“, betont Achterberg, die mit ihrem Ehemann Peter Neubert in Dätzingen die private Kunst- und Kammermusikstätte „Atelier-Atelier“ betreibt. Einerseits vermindere der Schatten im Bild die Farbkraft, andererseits stärke er die Farben dort, wo grelle Sonne alles verblassen lässt. „Metaphorisch übertragen, vermindert das Blindsein die Sehkraft, stärkt aber andere Wahrnehmungsbereiche“, verweist die Künstlerin darauf wie bei sehbehinderten Menschen meist andere Sinne wie etwa Tastsinn oder Orientierungsvermögen deutlich stärker ausgeprägt sind.

Wer die Ausstellung erleben möchte, hat dazu seit dieser Woche Gelegenheit. Bei der Vernissage am vergangenen Dienstag würdigte Sabine Kurtz, die CDU-Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Leonberg/Herrenberg , mit einem Vortrag die Ausstellung und Achterbergs gesellschaftlichen Beitrag. Die Staatssekretärin betonte – ebenso wie ihre Vorrednerin, die Stuttgarter Bürgermeisterin und Bildungsreferatsleiterin Isabel Fezer – die Funktion der Kunst als Brücke zwischen den Menschen.

Künstlerin bietet Führungen zur „Langen Nacht der Museen“ an

Gudrun Achterberg führte in ihre künstlerische Dokumentation ein und wies darauf hin, dass nach den Ausstellungsorten Grafenau, Nürnberg und Stuttgart die Bildwerke im kommenden Jahr auch im Kurpfälzischen Museum Heidelberg in der Textilsammlung gezeigt werden sollen.

Die Ausstellung ist noch bis einschließlich der „Langen Nacht der Museen“ am 21. Mai im Stuttgarter Rathaus zu sehen. Zu diesem Anlass bietet die Künstlerin um 19 und um 20 Uhr Führungen an. Die Öffnungszeiten im Rathaus sind: Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr. Weitere Führungen können direkt bei Gudrun Achterberg unter Telefon 0 70  33 / 4 50 71 angefragt werden.