Hommage ans kleinstädtische Leben: Ein Kohlstädt-Gemälde Foto: Stefanie Schlecht/Stefanie Schlecht

Anlässlich Fritz Kohlstädts 100. Geburtstag sind im Oberlichtsaal noch bis zum 1. August Bilder des Malers und Begründers der Sindelfinger Sezession zu sehen.

Sindelfingen - Am 17. März wäre Fritz Kohlstädt 100 Jahre alt geworden. Als Mitbegründer der Sindelfinger Sezession prägte er auch maßgeblich das lokale Kunstleben. Im Oberlichtsaal in der Sindelfinger Bibliothek würdigt jetzt eine Werkschau mit Bildern aus der städtischen Sammlung und der Familie Kohlstädt das Schaffenswerk des Künstlers. Bei der Eröffnung im Rahmen der Biennale vor einigen Tagen hatte der Ausstellungskurator Felix Sommer über Fritz Kohlstädts Bedeutung für Sindelfingen gesprochen. In Anwesenheit von Markus Kohlstädt, dem Enkelsohn des Malers, nannte er den Künstler einen „Pionier regionalen Kunstgeschehens“. Kohlstädt sei eine „Malerpersönlichkeit gewesen, die fernab von großen Zentren die Stille, vielleicht sogar mitunter das Beschauliche zum Thema machte.“

Ländliches Idyll versus Industriemetropole

Die Tatsache, dass die Bilder des vor 21 Jahren verstorbenen Malers in und um Böblingen und Sindelfingen in vielen Wohnzimmern und Büroräumen hingen, griff Sommer in seiner Rede mit einer provokanten Frage auf. War Kohlstädts am Ende nur hübsche Zimmerdekoration?

Mit dem Kunstinteresse beziehungsweise dem Kunstverständnis in der Sindelfinger Verwaltung habe es jedenfalls nicht viel zu tun gehabt, dass die Stadt in den 60ern immer wieder Aquarelle und Ölbilder von Fritz Kohlstädt angekauft habe. Vielmehr habe es wohl mit der Sehnsucht zu tun gehabt, an einem sich so schnell wandelnden Industriestandort die Erinnerung an ein ländliches Idyll aufrechtzuerhalten. Kohlstädt, der zu dieser Zeit in der Daimlerstadt lebte, habe Sindelfingen im Sinne einer bildlichen Selbstdarstellung und Identitätsfindung gedient.

Austausch mit Künstlern in Frankreich

Der Maler war laut Sommer immer bemüht, in Sindelfingen Ausstellungen zu organisieren und Künstlerkollegen zusammenzurufen. Innerhalb der von ihm mitbegründeten Sindelfinger Sezession und dem Circel 70 habe man unter Kohlstädts Leitung einen regen Austausch mit Künstlern aus Frankreich gepflegt. Dennoch sei der Maler immer mit Sindelfingen verwachsen geblieben, stellt Felix Sommer fest.

Mit am bemerkenswertesten an Kohlstädts Biografie ist wohl, dass er nie eine Kunstakademie besucht hatte. Er gilt als Autodidakt. Allerdings hatte er mit Walter Romberg und Rudolf Müller zwei sehr fähige und zugleich befähigende Lehrer. Als Mitbegründer der Freien Kunstschule Stuttgart hatte Müller mit seinem expressiven Realismus einen prägenden Einfluss auf Fritz Kohlstädt.

Unter der Ägide des damaligen Sindelfinger Stadtoberhaupts Arthur Gruber hätten künstlerische Qualitäten aber kaum eine Rolle gespielt. „Diejenigen, die damals Fritz Kohlstädts Arbeiten im Rathaus Einlass verschafften, hatten eher das Ansinnen, Büroräume und Amtsstuben auszuschmücken“, sagte Sommer in seiner Einführungsrede.

Träger des Bundesverdienstkreuzes

Wie der Kurator alleine schon mit dieser Werkschau deutlich macht, sind Kohlstädts Gemälde und Zeichnungen aber weit mehr als „Wohnzimmerbilder oder Schmuckobjekte eines bürgerlichen Kunstverstands“.

Schließlich habe die Würdigung des Malers durchaus über Sindelfingen hinausgeragt, verwies Sommer darauf, dass Kohlstädt unter anderem als Porträtmaler für den Ministerpräsidenten Hans Filbinger oder den berühmten Dirigenten Sergiu Celibidache herangezogen wurde.

Die Anerkennung seiner Verdienste ging sogar weit über das Land hinaus: Fritz Kohlstädts unermüdliches Engagement, seine Förderung junger Künstler und die Organisation der ersten deutschen Ausstellung nach dem Krieg in Frankreich brachten ihm 1981 das Bundesverdienstkreuz ein.

Info

Die Öffnungszeiten im Oberlichtsaal sind freitags von 14 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr.