Ungarns Premier Victor Orban blockiert das sechste Sanktionspaket der EU gegen Russland. Foto: dpa/Geert Vanden Wijngaert

Zentraler Streitpunkt ist ein Embargo gegen Öl-Importe. Kanzler Scholz ist trotz der Bedenken Ungarns zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden wird.

Die geschlossene Front der EU gegen Russland bröckelt. Die Staats- und Regierungschefs scheinen nicht in der Lage, sich auf das sechste Sanktionspaket gegen Russland zu einigen. „Wir sind noch nicht fertig“, räumte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Montagnachmittag vor dem Treffen in Brüssel ein. Sie sei allerdings sehr optimistisch, dass „in den nächsten 48 Stunden“ eine Lösung gefunden werden könne. Alle Fragen diesbezüglich seien eigentlich geklärt. „Aber wir sind noch nicht ganz angekommen.“ Zentraler Streitpunkt sind die Sanktionen gegen Öllieferungen aus Russland.

Ungarn blockiert die Sanktionen

Blockiert wird eine Einigung vor allem von Ungarn. „Es gibt keinen Kompromiss bis jetzt“, erklärte Regierungschef Victor Orban in Brüssel und unterstrich, dass sich sein Land in einer sehr schwierigen Lage befinde. Die Schuld für den Streit sieht er bei der EU-Kommission. Brüssel beschließe immer neue Sanktionspakete, mache sich aber nie wirklich Gedanken um deren Folgen. Wenn die Energieversorgung Ungarns gesichert sei, könne er auch dem Öl-Embargo zustimmen, sagte Orban.

Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich vor Gipfelbeginn zuversichtlich, dass trotz aller Probleme am Ende der Verhandlungen zwischen den EU-Mitgliedern ein Sanktionspaket sehen werde, dem alle zustimmen könnten. „Es ist in dieser Situation wichtig, gemeinsam zu handeln und Einigkeit zu beweisen“, erklärte der Regierungschef in Brüssel und unterstricht, dass sich Deutschland selbst seit Monaten auf diese Situation vorbereite. Bis zum Herbst sei das Land unabhängig von russischen Kohleimporten und bis Ende des Jahres von der Einfuhr von Öl.

Bis zur letzten Minute verhandelt

Vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs hatten die EU-Botschafter bis zur letzten Minute um das Sanktionspaket gerungen. Am Ende stand der Vorschlag, dass das Ölembargo in abgestufter Form verabschiedet werden sollte. Öllieferungen über Pipelines wären nach einem Vorentwurf der Gipfelerklärung von dem Embargo zunächst ausgeschlossen. Wie es aus Verhandlungskreisen heißt, hätten die ungarischen Diplomaten dem zugestimmt. Ungarns Regierungschef scheint dazu offensichtlich nicht bereit.

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Neben Ungarn hatten auch die Slowakei und Tschechien Einwände gegen das Ölembargo geäußert. Alle drei Länder haben keinen Anschluss ans Meer und werden vor allem über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl versorgt. Offensichtlich ist, dass Ungarn neben der Ausnahme für die Pipeline-Lieferungen auch Finanzzusagen für den mittelfristigen Umbau seiner Öl-Infrastruktur und Sicherheitsgarantien für den Fall von Lieferausfällen durch die Druschba-Leitung fordert.

Die EU verliert die Geduld mit Ungarn

Vor allem einige EU-Parlamentarier haben am Ende die Geduld mit Ungarn verloren. So forderte Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion, zur Not das Ölembargo auch ohne die Zustimmung aus Budapest zu verhängen. „Orban darf uns nicht auf der Nase herumtanzen“, sagte er. Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Parlament, erklärte: „Beim Thema Sanktionen ist eine Blockade Ungarns inakzeptabel. Hier dürfen sich die anderen Regierungen nicht von Viktor Orban erpressen lassen.“

Weitere Sanktionen gegen Banken

Wesentliche Einigkeit herrscht über andere Punkte des Sanktionspaketes. Das geplante neue Strafpaket gegen Moskau umfasst etwa auch Sanktionen gegen weitere Kreml-nahe Persönlichkeiten, darunter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, und die ehemalige Turnerin Alina Kabajewa, der enge Verbindungen zu Wladimir Putin nachgesagt werden. Auch der Ausschluss von drei russischen Banken aus dem internationalen Finanzsystem Swift, darunter mit der Sberbank das größte Kreditinstitut des Landes, liegt auf dem Tisch. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bestätigte, werde auf dem Gipfel auch über weitere Finanzhilfen für die Ukraine gesprochen.