Polizisten und Rettungskräfte waren mit Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen attackiert worden. Die Tatverdächtigen wurden verhaftet. Foto: dpa/Julius-Christian Schreiner

Nachdem es in der Silvesternacht zu Ausschreitungen und Angriffen auf Rettungskräfte kam, heizt sich die Debatte um Nationalität und Migrationshintergrund der Tatverdächtigen weiter auf.

Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Uwe Brandl (CSU), macht Menschen mit Migrationshintergrund für die Krawalle an Silvester verantwortlich. Die Entgleisungen seien „eindeutig zuordenbar“, sagte Brandl am Mittwoch in Berlin. „Der Umgang mit Migranten, die sich jenseits der Rechtsordnung verhalten, muss offen diskutiert werden“, forderte der CSU-Politiker. Der Gewaltforscher Andreas Zick hingegen betonte, selbst wenn junge Männer aus migrantischen Milieus beteiligt seien, seien es von Drogen aufgeputschte Menschen sowie solche, „die Spaß an Gewalt haben und andere darin bestätigen, dass Gewalt Spaß macht“.

Man könne die Gruppendynamik genauer erforschen, sagte der Sozialpsychologe Zick, der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld ist, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Mittwoch): „Aber wir müssen das ohne Vorurteil und Vorabbeschuldigung von Gruppen tun, denn es sind viele Gruppen, die die Dynamik erzeugen.“

Ein Pauschalurteil beleidige Millionen von Menschen, die sich als Einwanderer verstehen, und blende aus, „wie viele Menschen mit Migrationsgeschichte selbst in den Rettungs- und Polizeidienststellen arbeiten und ebenfalls Opfer sind“.

Polizei veröffentlicht Nationalität der Festgenommenen

Bereits gestern hatte Berliner Polizei neue Zahlen zu den Festnahmen an Silvester veröffentlicht. Demnach haben 45 der 145 Festgenommenen die deutsche Staatsbürgerschaft, 27 die afghanische und 21 die syrische. Der Rest verteilt sich auf 17 weitere Nationalitäten. Die Angaben sind vorläufig, bei 13 der mutmaßlichen Täter ist die Staatsangehörigkeit noch unklar. Zahlen aus anderen Städten liegen dem Evangelischen Pressedienst (epd) noch nicht vor.

Das Bundesinnenministerium hat die Veröffentlichung genauerer Informationen zu den Tatverdächtigen der Silvester-Ausschreitungen angekündigt. Das geplante bundesweite Lagebild zu den Ereignissen werde „natürlich auch eine Differenzierung nach dem Hintergrund und den Nationalitäten der Tatverdächtigen“ enthalten, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch mit Blick auf die Debatte über die Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an den Ausschreitungen. Zudem solle das Lagebild Aufschluss über die Art der Straftaten und die Tatorte geben.

Nancy Faeser verspricht rasche Aufklärung

Der Ministeriumssprecher wies Vorwürfe zurück, die Bundesregierung weiche einer Diskussion über einen möglichen Zusammenhang zwischen gescheiterter Integration von Migranten und den Silvesterkrawallen aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe „keine Scheu, da eine Debatte zu führen“, sagte ihr Sprecher. „Da, wo es um Tatverdächtige mit Migrationshintergrund geht, benennt sie das auch ganz klar.“

Der Sprecher forderte eine rasche und harte Bestrafung der Täter: „Gerade bei Tatverdächtigen, die durch Präventions-, Integrations- und Bildungsprogramme weniger oder nicht mehr erreicht werden, geht es um eine harte repressive Gangart des Staates und eine schnelle Strafverfolgung.“

In der Silvesternacht waren Polizisten, aber auch Einsatzkräfte wie etwa die Feuerwehr in Berlin und anderen Städten massiv angegriffen worden. Polizeigewerkschaften, aber auch Politiker der Union hatten die Vermutung geäußert, dass unter den Tätern überproportional viele Männer mit Migrationshintergrund vertreten seien. Die AfD warf der Regierung vor, diesen Umstand bewusst zu verschleiern.

Angriffe auf den Rechtsstaat

Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour mahnte, es sei zu einfach, nur Migrationshintergrund als Tatmotiv darzustellen. Es sei aber ebenfalls zu einfach, Migrationshintergrund komplett auszublenden. Mansour erklärte, bei Straftaten könne es wichtig sein zu betrachten, ob etwa Menschen, die aus autoritären Systemen nach Deutschland gekommen seien, den Rechtsstaat als schwach wahrnähmen. Erziehungsmethoden und ein Aufwachsen in patriarchalen Strukturen könnten für solche Eskalationen von Bedeutung sein.

Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte am Mittwoch in Berlin, der Kern der Debatte seien nicht der sogenannte Migrationshintergrund oder Böllerverbote, sondern es seien die Angriffe auf den Rechtsstaat. Zum Thema Migrationshintergrund sagte er, es sei in solchen Situationen immer richtig, genau hinzuschauen. Deshalb sei es „gut und richtig“, dass die Landespolizei ein ganz präzises Lagebild erstelle.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kündigte einen Gipfel gegen Jugendgewalt an. Als Antwort auf die „massive Respektlosigkeit“ und die Gewalt brauche es einen „Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal“, sagte Giffey. Taten müssten konsequent und schnell bestraft werden. Anstrengungen seien in mehreren Bereichen nötig, betonte die Regierende Bürgermeisterin: „Das muss in Schule, in Jugendsozialarbeit, der polizeilichen Präventionsarbeit, aber auch in der Jugendgerichtshilfe eine konzertierte Aktion geben.“

Rettungskräfte wollen mehr respektiert werden

Rettungsdienste forderten unterdessen mehr Respekt für ihre Beschäftigten. Es brauche eine gesamtgesellschaftliche Debatte darüber, sagte der Pressesprecher des Bayrischen Roten Kreuzes, Sohrab Taheri-Sohi, dem epd: „Wenn mehr Respekt für solche Menschen in der ganzen Gesellschaft vorhanden ist, dann gehen vielleicht auch Freunde oder Angehörige dazwischen, wenn Einzelne Rettungskräfte angreifen.“

Der Bundesvorsitzende des Arbeiter-Samariter-Bunds, Knut Fleckenstein, sagte dem epd, die Angriffe seien „Höhepunkt einer seit Jahren beobachtbaren Verrohung und Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften“. Die Täter müssten ermittelt und bestraft werden. Der Vizepräsident des Bundesverbands eigenständiger Rettungsdienste und Katastrophenschutz, Sebastian Sommerfeld, forderte härtere Gesetze.