Machtlos angesichts der Korruption: Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa. Foto: Imago//Tejas Sandhu

Kartelle, mafiöse Strukturen, Mordanschläge – Südafrikas Stromkrise offenbart den desaströsen Zustand des Landes und seiner Regierung.

Auf dem Weg in einen Gangsterstaat ist Südafrika ein gutes Stück weitergekommen. Immer neue Enthüllungen werfen derzeit ein grelles Licht auf den staatlichen Stromkonzern Eskom, der offenbar von vier mafiaähnlichen Organisationen beherrscht wird. Mit diesen „Kartellen“ stünden auch zwei Minister des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in Verbindung, gab der scheidende Eskom-Chef André de Ruyter jüngst in einem TV-Interview bekannt – ohne allerdings deren Namen zu nennen. Die Machenschaften dieser „Kartelle“ kosten den hochverschuldeten Stromkonzern nach den Worten des 54-jährigen Managers monatlich rund eine Milliarde Rand (200 Millionen Euro). Einer der Gründe, warum Eskom nur noch gut die Hälfte seiner eigentlichen Kapazität produziert.

Seit Monaten muss der Strom täglich bis zu zehn Stunden lang abgestellt werden, um einen Zusammenbruch des Netzes zu verhindern – die schwerste Krise, die Südafrika nach seiner Demokratisierung vor 29 Jahren zu bestehen hat.

Die Kartelle unterhalten nach de Ruyter Aussagen auch Killerkommandos: Fast jede Woche komme es in Mpumalanga – Südafrikas Kohlegebiet, in dem auch die meisten Kraftwerke stehen – zu einem Mordanschlag. Weil neben hochrangigen Politikern auch führende Polizeibeamte an den mafiösen Machenschaften beteiligt seien, werde kaum einer der Morde jemals aufgeklärt. Auch de Ruyter selbst sollte Mitte Dezember mit Zyanid im Kaffee vergiftet werden. Von den Tätern fehlt noch immer jede Spur.

Kriminelle Unterwanderung des Staats

ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula wies die Vorwürfe des Eskom-Chefs inzwischen als „unverantwortlich und grundlos“ zurück und ging seinerseits zum Angriff über: De Ruyter suche lediglich, von seinem „totalen Scheitern“ als Eskom-Chef abzulenken. Nach seinem Interview wurde der Manager, dessen Kündigung erst Ende März wirksam werden sollte, fristlos entlassen. Unterdessen wurden de Ruyters Aussagen von privaten Ermittlern bestätigt, die den Vorgängen in Südafrikas Kohlenpott nachgehen und Journalisten ihre Erkenntnisse zuspielten. Demnach betrügen die Kartelle Eskom auf verschiedene Weise: Sie fingierten etwa den Ankauf von Gerätschaften, der bezahlt werde aber niemals zustande komme; tauschten hochwertige Kohle in minderwertige um; würden Diesel für Generatoren stehlen und Anlagen beschädigen, um einem ihrer Mitglieder den Auftrag zu einer überteuerten Reparatur zu verschaffen, heißt es.

Südafrika wird international geächtet

Die Vorgänge um Eskom sind keineswegs die einzigen Anzeichen für die schleichende kriminelle Unterwanderung des Kaps der Guten Hoffnung. Auch das staatliche Transportunternehmen Transnet werde von mafiösen Organisationen geplündert, sagen private Ermittler. Dort komme es immer wieder zur Sabotage von Güterzügen, die ein Ausweichen auf private, mit den Kartellen verbundene Straßentransportunternehmen nötig machen. Auf den Einfluss korrupter Geschäftsleute sowohl bei Eskom wie in der Bauindustrie hatte bereits die im vergangenen Jahr zu Ende gegangene Untersuchungskommission unter Richter Raymond Zondo hingewiesen, ohne dass die Regierung deren Empfehlung zu einer Entflechtung der Regierungspartei mit den Staatskonzernen folgte. Vor wenigen Tagen wurde Südafrika auch auf die „graue Liste“ der Financial Action Task Force gesetzt – einer internationalen Kontrollinstanz, die der Geldwäsche und Finanzierung von Terrorgruppen nachgeht. Die Task Force hält Südafrikas Kontrollmechanismen für mangelhaft. Dadurch wird der Geldverkehr ins und aus dem Ausland teurer und werden Investoren abgeschreckt. Präsident Cyril Ramaphosa bezeichnete die internationale Ächtung jedoch als „Chance“ für Südafrika, den Kampf gegen Finanzverbrechen zu stärken.

Korrupte Regierungspartei

Dass es tatsächlich dazu kommt, halten Beobachter wie der Verfassungsrechtler Pierre de Vos für unwahrscheinlich. Alles weise darauf hin, dass sich die Korruption innerhalb der Regierungspartei dermaßen breit gemacht habe, dass ihre Reformierung ausgeschlossen sei. Der ANC kann zwar beim Urnengang im kommenden Jahr abgewählt werden. Doch angesichts der zerstrittenen und zersplitterten Oppositionsparteien würde auch das den Weg Südafrikas zum Gangsterstaat kaum aufhalten können.