Der Chor der Sindelfinger Johanneskirche gibt ein Passionskonzert. Es besticht durch eine großartige Programmvielfalt.
Am Schluss des rund einstündigen Konzerts des Chores der Johanneskirche nahm die Pfarrerin Karen Schepke ihre Empfehlung, nicht zu applaudieren, doch zurück. Und der Applaus für die Ausführenden unter Dirigent Michel Kuhn für dieses Passionskonzert am Gründonnerstag sprach für Begeisterung.
Der musikalische Spannungsbogen reichte von Frühbarock bis zur klassischen Moderne und stellte auch dadurch die Musiker und Musikerinnen vor eine anspruchsvolle Ausgabe. Die zehn Kompositionen waren kurz und sorgten für farbige Abwechselung. Gemeinsam mit dem Chor bewältigten das Streichorchester der süddeutschen Kammersolisten und die Sopranistin Judith Seitter ihren Part sehr überzeugend. Christoph Ewers steuerte an Orgel und Klavier unterstützenden Klänge bei.
Bewährung in zwei Solo-Arien
Als Bach noch nicht auf der Welt war, hatte Heinrich Schütz sie bereits verlassen. Er war einer der innovativsten Barockkomponisten, lernte in Italien und lebte während des Dreißigjährigen Kriegs teilweise in Dänemark. Man ist froh, wenn man Werke von ihm hören kann. Seine Motette „Also hat Gott die Welt geliebt“ nahm durch akzentuierte Rhythmen ein, die von den Choristen sehr lebendig realisiert wurden.
Die Sopranistin Judit Seitter durfte sich in zwei Solo-Arien bewähren, bei Pergolesis Arie aus dem „Stabat Mater“ und beim „Agnus Dei“ aus der Messe „The armed Man“ von Karl Jenkins. Sie artikulierte ihre kurzen Soloauftritte mit leuchtendem Sopran.
In die Romantik ging es dann mit Mendelssohns Kantate „Christe, du Lamm Gottes“ für Chor und Streichorchester und mit dem unnachahmlichen dritten Satz aus dem zweiten Streichquartett von Alexander Borodin, das zu den populärsten Kompositionen der russischen Romantik gehört. Die Streicher ließen die intensive Melodik animierend blühen.
Zwei unterschiedliche Höhepunkte
Musikalische Heiterkeit in das Programm brachten zwei Werke aus dem 20. Jahrhundert, die aber noch der Spätromantik verpflichtet waren: der Chorsatz „Gloria“ aus dem „Laudamus Te“ von Jenkins und die Romanze für Streichorchester des Schweden Lars-Erik Larsson, bei der das gut aufgelegte Streichorchester nochmals seine Qualitäten unter Beweis stellen konnte.
Zu den renommiertesten Komponisten der Gegenwart gehört der estnische Komponist Arvo Pärt, dessen Vertonung des „Vater unser“ für Chor, Klavier und Streichorchester eindringlich wirkte. Die Musiker gestalteten die expressive Melodik und klangvolle Harmonik großartig. Zu den Höhepunkten des Konzertprogramms gehörten zwei sehr gegensätzliche Stücke. Zunächst erklang Johann Sebastian Bachs Schlusschor aus der Matthäuspassion – „Wir setzen uns mit Tränen nieder“ – und das tröstliche „In Paradisum“ aus dem fantastischen Requiem des französischen Romantikers Gabriel Fauré. Kirchenkonzerte können so spannend sein!
Eine große Leistung des Chores
Dirigent Michel Kuhn leitete die Musiker mit schwungvollen und präzisen Bewegungen. Die Hauptlast lag bei dem Chor, der recht präzise die unterschiedlichen Tempi realisierte und den reichhaltigen Anforderungen an den Ausdruck der Musik aus vier Jahrhunderten gerecht wurde. Erstaunlich war die Homogenität, aber auch die Gestaltung der Klangfarben, wie sie zwischen Barock, Romantik und Moderne gefragt sind.