ZF-Vorstandschef zeigt einen modernen Mikrochip. Foto: dpa/Felix Kästle

Der Gewinn 2022 ist gesunken und die globalen Unsicherheiten bleiben. Nun soll frisches Geld her, auch durch weitere Teilverkäufe.

Coronakrise, gerissene Lieferketten, Ukraine-Krieg, gestiegene Energiepreise: Das Jahr 2022 hat auch beim zweitgrößten deutschen Autozulieferer ZF Spuren hinterlassen. Zwar konnte der Konzernumsatz auf den Rekordwert von 43,8 Milliarden Euro gesteigert werden (Vorjahr 38 Milliarden), der Gewinn nach Steuern war mit 376 Millionen Euro aber kaum halb so hoch wie 2021. Grund: Ein stattlicher Teil des Umsatzzuwachses resultierte aus Währungseffekten, während die Friedrichshafener auf der anderen Seite ihr Russlandgeschäft abwickeln und eine teure Lagerhaltung aufbauen mussten, um die Lieferfähigkeit gegenüber der globalen Kundschaft zu gewährleisten.

Reduziert haben sich damit auch die freien liquiden Mittel, mit denen ZF unter anderem laufende Schulden bedient. „Mit unserem Cashflow können wir nicht zufrieden sein“, sagte der Vorstandsvorsitzende Holger Klein bei der Vorstellung des Jahresabschlusses in Friedrichshafen. Laut dem ZF-Finanzvorstand Michael Frick sank der Free Cashflow zum Ende des vergangenen Jahres auf 544 Millionen Euro – von 991 Millionen ein Jahr zuvor. Insgesamt zu wenig für den Stiftungskonzern mit seinen 165 000 Beschäftigten, um die weiter anstehenden Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu stemmen. Die Forschungsinvestitionen betrugen im vergangenen Jahr 3,4 Milliarden Euro und damit 300 Millionen mehr als noch im Jahr 2021.

Das gute alte Getriebe ist ein Auslaufmodell

Frisches Geld soll her, zum einen, so Klein, indem man „auf noch striktere Kostendisziplin achten“ werde. Zum anderen plant der Konzern weitere Verkäufe und die Anwerbung von spezifischen Teilhabern. Schon Ende 2022 hatte ZF seine Luftfahrtsparte an Airbus verkauft. Für die Weiterentwicklung des Geschäfts mit autonom fahrenden Shuttlebussen sehen sich die Friedrichshafener jetzt nach einem solventen strategischen Partner um. Ganz trennen will man sich vom Geschäft mit Airbags und Sicherheitsgurten; die Bank Citigroup ist beauftragt worden, einen Käufer zu finden. Das Problem: Wegen der stark gestiegenen Zinsen auf den Kapitalmärkten infolge der Inflation dürfte die Luft für manchen potenziellen Interessenten dünn geworden sein. Zeitdruck, betonte Klein, setzte man sich gleichwohl nicht aus: „Wir werden ein so hervorragendes Asset nicht unter Wert verkaufen.“

Die ZF-Bilanz bestätigt die Entwicklung der vergangenen Monate im Automobilbereich: Die Hersteller konnten ihre Gewinne in Zeiten des durch fehlende Chips bedingten Fahrzeugmangels steigern, weil sie keine Rabatte mehr geben mussten, aber die Zulieferer profitierten nicht in gleicher Weise. ZF als breit aufgestellter Systemlieferant litt allerdings deutlich weniger als spezialisiertere Zulieferer. Für Klein bleibt das der Weg in die Zukunft. ZF-Komponenten wie elektronische Dämpfer, Bremsen und Steuergeräte müssten in Fahrzeugen künftig „die Vertikal-, Längs- und Querbewegung beherrschen“. Das klassische Getriebe sieht der Vorstandsvorsitzende dagegen weiter auf dem Rückzug. „Die Transformation führt uns natürlich weg vom Getriebe“, sagte Klein, und: „Chips sind das neue Zahnrad.“

Ein neuer Rekord an Auftragseingängen

Starke Hoffnung setzt ZF in die Herstellung neuer Siliziumcarbid-Halbleiter für Elektrofahrzeuge. Als Juniorpartner des US-Chipherstellers Wolfspeed will ZF im Saarland eine neue Fabrik bauen. Vom Versprechen von mehr Reichweite, Tempo und Platz im Fahrzeuginnern sind offenbar viele Hersteller angetan. Aufträge im Wert von rund 30 Milliarden Euro habe der Konzern 2022 über alle Produktbereiche hinweg eingeworben, heißt es, so viele wie nie zuvor. Die Aufgabe ist es laut dem Vorstandschef nun, die angebotenen Neuentwicklungen rasch zu „industrialisieren“.

Auch China, vor allem den dortigen Nutzfahrzeugmarkt, wollen die Friedrichshafener keineswegs abschreiben. „Ich glaube, dass viele von uns das Touch and Play für den chinesischen Markt verloren haben“, sagte Klein mit Bezug auf die zurückliegenden Coronaschließungen. Das müsse sich wieder ändern. Bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres soll der Konzernumsatz die Schwelle von 45 Milliarden Euro überschreiten – und auch der Gewinn soll dann wieder besser aussehen.