Hertha BSC bleibt auch mit Pal Dardai am Bundesliga-Tabellenende. In Berlin schwindet der Glaube an den Klassenerhalt. Am Tag nach dem 2:4 gegen Werder Bremen kommt es gar zum Eklat.
Pal Dardai platzte der Kragen. „Geh weg! Verpiss dich!“, schimpfte der Coach von Schlusslicht Hertha BSC beim Auslaufen in Richtung Ersatzspieler Ivan Sunjic und schickte den Kroaten vorzeitig in die Kabine. Nach dem 2:4 (0:2) gegen Werder Bremen und dem nächsten Rückschlag im Kampf um den Klassenerhalt ist die Zeit der Nettigkeiten in Berlin endgültig vorbei.
Dardai duldet keine Disziplinlosigkeiten mehr. „Es geht nicht um Irgendwas. Es geht ums Überleben“, sagte Dardai kurz vor dem großen Knall am Sonntagmorgen.
Kein Kampf, kein Wille, keine Qualität: Der lange blutleere Auftritt seiner Herthaner hatte dem Nachfolger von Sandro Schwarz die Schwierigkeit seiner dritten Retter-Mission in Berlin vor Augen geführt. Die Mängelliste ist lang.
„Es gibt viele Dinge, die man diskutieren muss“, sagte Dardai und kritisierte unter anderem das Abwehrverhalten („Kindergarten!“) und die fehlende taktische Disziplin: „Wir fangen mit den Basics an.“
Kein Platz für Egoismen im Abstiegskampf
Ein weiteres Problemfeld ist der offenbar fehlende Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft. „Teamgeist sehe ich nicht“, sagte Dardai. Die Sanktion gegen Sunjic durfte vor diesem Hintergrund auch als Zeichen an die Spieler gewertet werden: Für Egoismen ist im Abstiegskampf kein Platz.
Er sei, sagte Dardai schon am Samstag, „kein Zauberer“ - und doch muss der Rückkehrer dringend Magisches vollbringen, um den Berliner Absturz in die Zweitklassigkeit noch abzuwenden.
Die Mannschaft habe eine „Blockade“, betonte neben Dardai auch der emotionale Leader Kevin-Prince Boateng: „Ich bin jemand, der immer viel reden kann und Antworten hat - aber jetzt gerade ist es schwer.“
Den Unmut der Anhänger könne Boateng nachvollziehen, der 36-Jährige sei „selber Fan“, und ihm „tue es auch weh: Ich würde auch pfeifen“, so Boateng, den Dardai zur zweiten Halbzeit ins Spiel gebracht hatte.
Für die Berliner ist noch nicht alles verloren
„Die Probleme in den Köpfen sind größer, als ich gedacht habe. Der Druck war ein Riesenproblem, wir müssen dringend etwas tun, um die Blockade zu lösen“, sagte Dardai, dem in seiner dritten Amtszeit (zuvor 2015 bis 2019 und 2021) als Hertha-Coach nur wenig Zeit bleibt, um den ersten Abstieg seines geliebten Traditionsklubs seit elf Jahren zu verhindern.
Doch die Abstiegsangst im Berliner Westen ist nach dem Gala-Auftritt von Werders Dreierpacker Marvin Ducksch größer denn je. „Es kann nicht sein, dass wir dem Gegner vor der Kulisse diesen Vorsprung geben“, sagte Dardai, der mit seinem Team einem hoffnungslosen 0:4-Rückstand hinterher lief, ehe es sich ab der 65. Minute ein wenig aufbäumte. Gegen abgezockte Bremer mit 25.000 mitgereisten Gästefans im Rücken war das aber viel zu wenig.
Dabei ist für die Berliner noch nicht alles verloren, am kommenden Wochenende geht es zum taumelnden Rekordmeister Bayern München, spätestens das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart in zwei Wochen ist ein Endspiel. Der Rückstand auf den VfB beträgt aktuell drei Zähler. „Wir probieren endlich die Null zu halten, nur dann kannst du Spiele gewinnen. Ob das gegen Sandhausen oder Bayern ist, ist ganz egal“, sagte Boateng flapsig, und betonte: „Wir sind noch nicht abgestiegen.“