Nicht nur bei den Jugendlichen wächst die Frustration. Foto: Fabian Sommer/dpa

Den Frust und die Wut über die aktuelle Lage in Worte zu fassen, ist gar nicht so einfach. manchmal hilft nur ein beherztes „Grumph!“. Und viel Schlaf.

Stuttgart - Beurk. Gnizp. Grumph. Rahhhr. Umpf. Ich mache hier mal einen kleinen Ausflug in die Comicsprache, um mich bei der Jugend anzubiedern, was natürlich extrem cringe ist. Aber irgendwie fehlen mir langsam die Worte. Ich bewege mich im Spannungsfeld von ohnmächtiger Wut, Verärgerung und Müdigkeit, die in erschöpfte Sehnsucht nach Normalität übergeht. Für Letzteres wäre dann so ein langanhaltendes Brrrrscht mit einem verachtungsvollen Grundton angebracht, der sich an die Politik richtet.

Das Virus hört einfach nicht auf die Politik

Diese hilflosen Lautmalereien wirken, als versuche ein Schimpanse mit einem Staubwedel ein Bild von Rembrandt zu kopieren. Aber mir fällt auch nichts Besseres mehr ein. Denn jetzt geht offenbar alles wieder von vorne los, nur dass wir schneller ins Corona-Chaos steuern als vor einem Jahr. Die Politik hat dazugelernt und das Wenige, das sie gut gemacht hat, auch noch verbockt. Sie hat Impfzentren geschlossen beispielsweise, und zugleich vollmundig verkündet, es werde auf gar keinen Fall einen Lockdown geben. Das Virus hatte in dem Moment wohl gerade nicht zugehört. Mein Sohn dagegen hörte die Signale und trug wacker seine Maske im Unterricht – ihm gleich taten es fast alle in der Klasse. Ist doch schön, wenn die Jugendlichen vernünftiger und weitsichtiger sind als die zuständige Ministerin, oder?

Vorbild Erwachsene? Na ja.

Meine Tochter dagegen, die in einer anderen Stadt lebt, und sich in der Pandemie bisher geradezu beängstigend vernünftig verhalten hat, zeigt jetzt Anflüge von Mutlosigkeit. Wieder ein Winter ohne zwangloses Zusammenkommen, ohne gelegentliche Club-Besuche, dafür verschönert mit einer Flasche Wein am Ufer des Bodensees unter polizeilicher Aufsicht – und das bei Temperaturen um die null Grad. Mmmmpfff. Ob das alles noch irgendeinen Sinn habe, fragte sie uns neulich. Vor allem mit Blick auf die Erwachsenen im Umfeld ihres Freiwilligenjahres. Denn die betrachten die Hy-gienevorschriften offenbar als unverbindliche Empfehlung, die je nach Laune befolgt oder missachtet werden. Dazu kommen all die Impfverweigerer, die sich in ihrer kruden Weltsicht einbetoniert haben und Politiker, die von der Freiheit des Einzelnen schwadronieren, während in den Intensivstationen im Akkord intubiert wird. In solchen Situationen fällt es auch mir schwer, auch nur minimal glaubwürdige Durchhalteparolen an die Kinder auszugeben.

Am Ende bleibt wohl nur die Strategie, die ich neulich an einem grauen Tag mit meinem Sohn durchgesprochen habe: die Pandemie zu verschlafen, nämlich, was bildhaft mit dem Wort Zzzzzzzz umschrieben werden kann. Und bitte: weckt mich nicht, bevor das alles vorbei ist.

Martin Gerstner
hat zwei Kinder – die Schulkarriere seiner Tochter hat er bis zum Ende mit Interesse und Ehrfurcht begleitet. Jetzt schlägt sich sein Sohn in der Schule durch die Pandemie.