Ja, ja, schon schön so goldene Bäume – aber wer recht die Blätter nachher wieder auf? Foto: imago images/Rene Traut/Rene Traut

Was finden die Leute eigentlich am Herbst? Für unseren Autoren ist die Zeit zwischen Sommer- und Weihnachtsferien vor allem ein Ärgernis aus kranken Lehrern und Blätter schmeißenden Ahornbäumen.

Stuttgart - Würde ich eine Rangfolge der Jahreszeiten erstellen, dann stünde selbstverständlich der Sommer mit weitem Abstand an der Spitze. Auf Platz zwei läge der Frühling, dessen Launenhaftigkeit zwar häufig nervt, der aber durch seine Brückenfeiertage im Mai und Juni, die Pfingstferien und seine Nähe zum Sommer zu punkten weiß, während der einzigen Vorzug des nasskalten und dunklen Winters, der auf Rang drei folgt, in der sogenannten Zeit zwischen den Jahren besteht, welche die Gelegenheit bietet, guten Gewissens den ganzen Tag wild durcheinander zu essen und zu trinken, seien es Vanillekipferl, Williams-Christbirne, Gänsekeulen, Rumpunsch oder die Reste des Käsefondues vom Vorabend.

Weit abgeschlagen auf dem vierten und letzten Platz: der Herbst. Was keineswegs nur daran liegt, dass er die am weitesten vom Sommer entfernte Jahreszeit ist.

Grüngutsäcke voller Ahornblätter

Auch nach langem Nachdenken ist mir bislang noch kein einziger Grund eingefallen, dieser bleiernen Zeit zwischen dem Ende der Sommer- und dem Beginn der Weihnachtsferien etwas Positives abgewinnen zu können. Die leuchtend bunte Blätterpracht der Bäume wird in diesem Zusammenhang gerne genannt – doch erinnert sie mich immer nur daran, dass ich bald wieder viel Zeit damit verbringen werde, das Laub in unserem Garten zusammenzukehren und mit vollen Grüngutsäcken zum Wertstoffhof zu fahren.

Es steht zwar nur ein einziger und regelmäßig für viel Geld gestutzter Ahornbaum im Gemeinschaftsgarten unseres Hauses. Doch bin ich jedes Jahr aufs Neue verblüfft, wie viele Blätter er abwirft – und mit welchem Einfallsreichtum sich die Kinder darum drücken, selbst den Rechen in die Hand zu nehmen. Auf bevorstehende Klassenarbeiten verweisen sie gerne, obwohl ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es keine andere Jahreszeit gibt, in der weniger Schulunterricht stattfindet, nicht einmal im Sommer mit seinen langen Ferien.

Die ersten zwei Stunden fallen aus, die letzte auch

Freudestrahlend zeigen mir die Kinder auch in diesem Herbst fast täglich ihre Schul-Apps, in denen brandaktuell vermeldet wird, dass am nächsten Vormittag aufgrund kranker Lehrerinnen und Lehrer nicht nur die ersten zwei Stunden entfallen, sondern auch die letzten zwei. Ich möchte zwar keinen weiteren Shitstorm durch die Lehrerschaft riskieren, deren Arbeit ich sehr schätze und mit der ich nicht tauschen möchte. Doch will ich auch nicht verhehlen, dass ich mich gelegentlich frage, wie es wohl um die Wirtschaft in der Bundesrepublik bestellt wäre, gäbe es in den Betrieben einen ähnlich hohen Krankenstand wie an den Schulen.

Als blanken Hohn empfinde ich denn auch die baden-württembergischen Herbstferien in der ersten Novemberwoche, mit denen rein gar nichts anzufangen ist. Verzweifelt werden meine Frau und ich auch dieses Mal versuchen, die Zeit mit dem einen oder anderen Familienausflug ins Grüne beziehungsweise Herbstbunte zu überbrücken. Und dabei wieder einmal Zweierlei feststellen: Erstens werden die Kinder nicht die geringste Lust haben, sich von ihren Computern und Tablets zu trennen und an die frische Luft zu gehen. Und zweitens werden wir garantiert wieder die falsche Garderobe gewählt haben, wenn es entweder plötzlich zu regnen beginnt, ein Sturm heraufzieht oder ausnahmsweise die Sonne die Wolkendecke durchbricht. Beste Laune wird garantiert nur das jüngste Familienmitglied haben: Billie, unser Labradormischling.

Marko Schumacher (49) ist Sportredakteur, Vater von vier Kindern – und träumt davon, in einem Land zu leben, in dem jeden Tag die Sonne scheint.