Franziska Giffey will unter der Führung der CDU in eine große Koalition gehen. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Franziska Giffey will mit der SPD in Berlin in eine große Koalition gehen – unter Führung der CDU. Die Jusos und viele Parteilinke fürchten schlimme Folgen für die Partei. Wie geht es jetzt weiter?

Das Leben der Franziska Giffey ist reich an überraschenden Wendungen. Sie hat den direkten Sprung aus dem Amt der Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln in das der Familienministerin geschafft. Dort musste die SPD-Politikerin wegen einer Plagiatsaffäre zurücktreten – und gewann trotzdem die Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Nur dass die Wahl wegen massiver Unregelmäßigkeiten – lange Schlangen, fehlende Stimmzettel, verspätete Stimmabgabe – wiederholt werden musste.

Jetzt folgt die nächste Entwicklung, mit der viele nicht gerechnet haben. Giffey favorisiert es, in Berlin als Juniorpartnerin in eine Koalition mit der CDU einzutreten. Sie wäre dann ihr Amt als Regierende Bürgermeisterin los, könnte aber Senatorin werden. An der Spitze der Stadt würde ihr CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner nachfolgen, dessen Partei mit 28,2 Prozent bei der Wahl klar vorn lag. „Wir haben mit der CDU festgestellt, dass es sehr großes Entgegenkommen gab und gibt“, sagte Giffey.

Kleben oder nicht kleben – das ist die Frage

Dass Wahlsieger die Regierung führen ist nichts Ungewöhnliches. Nur waren innerhalb der SPD viele überzeugt, dass Giffey am Ende trotz eines katastrophalen Ergebnisses von 18,4 Prozent die Chefin in der Landeshauptstadt bleiben würde. Denn das bisherige Bündnis aus SPD, Grünen und Linke hätte noch immer eine klare Mehrheit im Parlament. Und die Sozialdemokraten lagen bei der Wahl vor den Grünen – wenn auch hauchdünn, nach einer erneuten Zählung in einem Bezirk mit gerade einmal 53 Stimmen. Giffey würde am Ende trotzdem durchziehen und mit Rot-Grün-Rot als Regierende Bürgermeisterin in Berlin weiterregieren. Davon waren sie bei den Sozialdemokraten in den Tagen nach der Wahl fest überzeugt. Sie sei viel zu ehrgeizig und machtbewusst, um freiwillig in die zweite Reihe zu treten, glaubten viele. „Nein, ich klebe nicht an meinem Amt. Wirklich nicht“, betonte die 43-Jährige hingegen.

Sondiert wurden in Berlin nach der Wahl die unterschiedlichsten Konstellationen: von der Koalition aus CDU und SPD über Schwarz-Grün bis hin zur Wiederauflage von Rot-Grün-Rot. Giffey – das ist ein offenes Geheimnis – hätte schon nach der Wahl im Jahr 2021 gern mit der Union regiert, in einer Deutschlandkoalition inklusive FDP. Doch konnte sie sich im linken SPD-Landesverband nicht durchsetzen. Rot-Grün-Rot, ein Bündnis mit atmosphärischen Störungen, ging in die nächste Runde.

Den Absturz bei der Wiederholungswahl am 12. Februar wertete Giffey als Signal, dass sich etwas ändern müsse – selbst falls Rot-Grün-Rot fortgesetzt werden sollte. Auch die Grünen und ihre Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sahen ein klares Signal in der Wahl: nämlich, dass SPD und Grüne bei Fortführung der Koalition auf Augenhöhe agieren müssten. Dabei hat es zwischen den beiden Partnern, etwa in der Verkehrspolitik, ohnehin schon genug geknirscht.

Giffey schlug dem Landesvorstand am Mittwochabend Koalitionsverhandlungen mit der CDU vor. Es habe 25 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen gegeben, wie ein Teilnehmer auf Twitter mitteilte. Laut „Tagesspiegel“ soll es einen Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag geben. Das könnte ein Vorteil für Giffey sein, weil die Mitglieder ein Stück konservativer sind als die mittlere Funktionärsebene. Doch sicher ist nichts. Die Berliner Jusos haben schon klargemacht: „Die CDU passt nicht zu Berlin und nicht zur SPD.“ Bei vielen in der SPD ist von „drohender Verzwergung“ die Rede.

Der Poker um die Macht

Teil des Pokers um die Macht in der Bundeshauptstadt ist, dass auch die Christdemokraten noch nicht offiziell gesagt haben, mit wem sie Koalitionsgespräche aufnehmen möchten. Der Landesvorstand der Partei kommt am Donnerstag zusammen – laut Parteikreisen ist ausgemachte Sache, dass die SPD der Koalitionspartner werden soll. Klar ist: Die inhaltlichen Schnittmengen mit der SPD sind größer. Im Wahlkampf hatten sich CDU und Grüne hart abgegrenzt – CDU-Spitzenkandidat Wegner müsste es seiner Parteibasis schon sehr gut erklären können, wenn er nun auf einmal mit den Grünen koalieren wollte. Und vor allem den Wählern.

Ein Satz, der nach der Wahl immer wieder fiel, stimmt immer noch: Die Regierung führt, wer eine Mehrheit im Parlament hinter sich bringt. Sozialdemokraten wollten ihn so verstanden wissen, dass nicht unbedingt die stärkste Partei die Regierung anführen muss. Nun sieht es aber so aus, als hätte Kai Wegner tatsächlich gute Chancen, der nächste Regierende Bürgermeister in Berlin zu werden. Als erster CDU-Politiker nach mehr als 20 Jahren im Wartezimmer der Macht.