Im Kampf gegen den Klimawandel will die EU Druck machen. Nun stehen im Parlament wichtige Entscheidungen an. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Julian Stratenschulte

Das EU-Parlament stimmt darüber ab, wie schnell Europa klimaneutral werden soll. Dazu gehört auch, ab wann die Autobauer nur noch Elektromotoren verkaufen dürfen.

Die Lobby-Maschine in Brüssel läuft in diesen Tagen mit ungewöhnlich hoher Drehzahl. Die Postfächer der Europaabgeordneten quellen über und die Telefone stehen kaum still von Anfragen der Industrieverbände. Der Grund für diese Offensive hat einen Namen: Fit for 55. Es ist das ehrgeizige Klimaprogramm der EU, das die Geschwindigkeit für den Ausstieg Europas aus dem fossilen Zeitalter festlegen wird.

Dienstag und Mittwoch wird das Europaparlament über die zentralen Punkte des Programms abstimmen, etwa über das Aus für die herkömmlichen Verbrennungsmotoren in Autos und LKW. Das heißt, dass im Kampf der EU gegen den Klimawandel ganze Industriezweige revolutioniert werden oder auf absehbare Zeit vor dem Aus stehen. Die Vertreter der Industrie versuchen allerdings bis zur letzten Minute, die geplanten Regelungen abzuschwächen.

E-Mail-Flut der Lobbyisten

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament stöhnt über eine Flut von E-Mails, die über den Abgeordneten hereinbreche. Was ihn besonders ärgert ist, dass diese Lobbyarbeit in seinen Augen der Demokratie schade, weil sie an der Öffentlichkeit vorbei passiere.

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Getrieben wird er auch von der Sorge, dass doch noch einige Parlamentarier für weniger ambitionierte Ziele stimmen. Im Parlament besonders umstritten ist, wann die Autoindustrie in Europa nur noch Fahrzeuge mit Elektromotoren verkaufen darf. Die EU-Kommission schlägt dafür das Jahr 2035 vor. Die Diskussion ist in diesem Fall etwas verwirrend. Immer mehr Autobauer kündigen an, schon früher nur noch Elektroautos anzubieten. Vor allem aber die Firmen der Zulieferindustrie, die nicht einfach umsatteln können, setzen sich dafür ein, den angepeilten Termin 2035 zu kippen und hoffen, ihr Geschäftsmodell noch einige Jahre länger am Leben zu halten. Noch ist völlig offen ist, wie sich die Parlamentarier am Ende entscheiden werden.

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Verschmutzer müssen mehr bezahlen

Zur Abstimmung im Parlament steht auch die Regelung zum Handel mit Emissionen. Das klingt kompliziert, ist im Grunde aber ganz einfach. Wer die Umwelt mit klimaschädlichen Gasen verdreckt, der muss in Zukunft dafür bezahlen. Der Preis für die notwendigen Verschmutzungszertifikate wird im Laufe der Jahre ständig steigen, was den Druck auf die Unternehmen erhöht, sauberer zu produzieren. Das Ziel ist, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern. Dieses sogenannte Emissionshandelssystem (ETS) wurde bereits 2005 eingerichtet, doch nun sollen die Regeln deutlich verschärft werden. „Der Emissionshandel ist das mächtigste Instrument der EU-Klimapolitik“ unterstreicht Michael Bloss, „er ist zentral für den Kohleausstieg in Deutschland.“

Europas ambitionierte Pläne

Über Monate wurde im Parlament über die Geschwindigkeit gestritten, mit der die nächsten Schritte getan werden sollen. Sehr wahrscheinlich verabschiedet wird nun ein EU-typischer Kompromiss mit einem Dschungel von Regelungen, Höchstgrenzen und Übergangsfristen. Peter Liese von der CDU ist mit dem Ergebnis zufrieden. Der deutsche Berichterstatter für die Reform des europäischen Emissionshandels, betont, dass die Pläne sehr ambitioniert sind, doch den Unternehmen noch „die Luft zum Atmen“ lasse. Er hebt vor allem ein sogenanntes Bonus-Malus-System hervor. Damit sollen innovative Unternehmen, die klimafreundlich produzieren, in Zukunft stärker belohnt werden. Sie erhalten zusätzliche Verschmutzungszertifikate, um die oft extrem teuren Investitionen in den Klimaschutz zu finanzieren. „Ich glaube, dass dies ein sehr wichtiger Schritt in Richtung unseres Zieles ist, die europäische Industrie zu dekarbonisieren, aber Europa nicht zu deindustrialisieren“, sagt der CDU-Politiker.

Kampf für einen Klimazoll

Ein zentrales Problem hin zum klimaneutralen Umbau der Industrie ist, dass dadurch die Produktion teurer werden wird. Es droht die Gefahr, dass schmutzig hergestellte Waren aus Ländern mit laxen Standards europäische Produkte verdrängen könnten. Aus diesem Grund stimmen die Parlamentarier auch über eine Art Klimazoll (CBAM) ab, der diese Konkurrenzprodukte verteuern soll. Gestritten wird allerdings, ob ein solcher Klimazoll überhaupt in Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu bringen ist. Länder wie die USA oder China könnten also dagegen klagen. Oder im Gegenzug ebenfalls Zölle auf europäische Produkte erheben.