Karla Borger hat Vorschläge zur Kleiderwahl im Beachvolleyball. Foto: AP/Petr David Josek

Was sollen Frauen im Spitzensport tragen? Sollte die Kleidungswahl jeder Athletin selbst überlassen sein? Wir haben darüber mit der Turnerin Elisabeth Seitz und der Beachvolleyballerin Karla Borger gesprochen.

Stuttgart - Der EM-Auftritt der deutschen Turnerin Sarah Voss im Ganzkörperanzug hat eine Diskussion über die Kleiderordnung im Frauensport ausgelöst. Wir haben zwei prominente Stuttgarter Athletinnen nach ihren Meinungen gefragt.

Elisabeth Seitz (27), WM-Bronzemedaillengewinnerin am Stufenbarren 2018:

„Im Turnen ist es Tradition, dass bei den Frauen in einem sehr knappen, badeanzugähnlichen Anzug geturnt wird. Dadurch ist der Schritt und der Po nur mit sehr wenig Stoff bedeckt. Zum Beispiel bei Spagatsprüngen läuft man da immer Gefahr, dass etwas verrutscht. Und wenn nur minimal etwas verrutscht, dann sieht jeder mehr, als er sehen sollte.

Wir als Turnteam Deutschland haben uns daher bei den vergangenen Europameisterschaften in Basel dazu entschieden, das erste Mal einen langbeinigen Turnanzug zu tragen. Die Regeln erlauben das schon lange, wenngleich es bisher nicht üblich war. Damit wollten wir ein Zeichen setzen, vor allem an alle Turnerinnen, die diese tolle Sportart so sehr lieben und gerne ausführen, aber sich in diesem knappen klassischen Turnanzug nicht so wohlfühlen. Das war ein erster Schritt. Es geht nicht darum, dass wir sagen, jetzt soll sich jede Turnerin bedecken und keine Haut mehr zeigen. Unsere Botschaft lautet: Zieht das an, worin ihr euch am wohlsten fühlt.“

Karla Borger (32), Vizeweltmeisterin 2013:

„Ich bin zwar gerade in Mexiko, wo drei Vier-Sterne-Turniere nacheinander stattfinden, habe aber auch hier mitbekommen, was bei der EM im Turnen angestoßen wurde. Ich habe Fotos gesehen und Texte gelesen, und ich muss sagen, dass ich mega stark finde, wie die Mädels die Bühne genutzt haben, obwohl sie sich ja parallel auf ihren Wettkampf konzentrieren mussten. Das verdient allerhöchsten Respekt. Ich wusste, dass einige Turnerinnen sich unwohlfühlen in den Anzügen, die bisher getragen wurden, insofern ist es unglaublich wichtig, dass sie nun ein Zeichen gesetzt haben.

Es ist für mich der Anstoß, das Thema auch bei uns gegenüber dem Verband noch einmal anzusprechen – vor allem im Hinblick auf jüngere Athletinnen. Aus meiner Sicht muss oberste Prämisse sein, dass sich jede frei entscheiden kann, was sie trägt, dass es uns nicht vorgeschrieben wird. Klar, man muss keine Lumpenhosen mit Löchern erlauben, ein gewisser Standard darf schon sein. Aber man könnte zum Beispiel vier, fünf Outfits zur Wahl stellen, und dann kann jede Athletin auswählen, was sie tragen will. Das wäre nicht nur absolut zeitgemäß, eine Änderung in diese Richtung ist zwingend angesagt.“