Evgenia Rubinova macht den Auftakt des diesjährigen Pianistenfestivals in Böblingen. Um Wiederholungen zu vermeiden, steht jedes Festival unter einem speziellen Motto. Foto: Archiv

Zum 25. Mal findet ab 13. Januar das Pianistenfestival in Böblingen statt. Diesmal stehen Klavierbearbeitungen von Oper- und Orchesterstücken im Fokus. „So kamen früher die Hits unter das Volk“ erläutert der Künstlerische Leiter Ulrich Köppen.

Die zurückliegenden zwei Ausgaben des Pianistenfestivals waren durch die Corona-Pandemie stark beeinträchtigt. Jeweils wurde die Reihe in den Sommer verschoben. Nun stehen zum Jubiläum wieder die gewohnten Termine ab Mitte Januar an – jeweils freitags im Württembergsaal der Kongresshalle. Ab dem kommenden Freitag gibt es vier Solokonzerte und einen Kammermusikabend. Wir sprachen mit dem Künstlerischen Leiter Ulrich Köppen, der die Programme seit Anfang verantwortet.

Sie haben jedes Jahr ein wechselndes Motto, dieses Jahr sind es Orgel, Oper und Orchester in virtuosen Variationen für Klavier. Warum?

Bei den wechselnden Themenschwerpunkten sind die Pianisten bei uns daran gehalten, zwei Werke zu spielen, die dem Motto entsprechen. Das führt dazu, dass wir über die Jahre hinweg nur wenige Wiederholungen haben und seltenere, aber ebenso attraktive Werke aufführen.

Gibt es denn viele derartige Bearbeitungen für Klavier?

Aber ja! Im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert gab es Hitparaden wie heute auch. Sie fanden allerdings live in kleinen Konzertsälen und in den unzähligen Salons kunstsinniger Adliger und Bürger statt. Dort gastierten die uns heute bekannten und weniger bekannten Musiker, die häufig in Personalunion Virtuose und Komponist waren. Sie improvisierten dort über populäre Hits wie Volkslieder, berühmte Opernarien oder Orchesterwerke. Es gibt zum Beispiel einen erheblichen Teil von Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ in einer Fassung für zwei Blockflöten – damit die normalen Leute auch selber zum Instrument greifen konnten. Viele dieser Werke sind heute überliefert. Gedruckt wurden sie aber in der Regel erst nach der improvisierten Aufführung. Die Komponisten versuchten, sich einander an Fantasiereichtum zu übertreffen.

Können Sie uns Beispiele nennen?

Schon Johann Sebastian Bach war ein Anhänger von Antonio Vivaldi und hat viele seiner Stücke bearbeitet, einerseits um daraus zu lernen, andererseits zum eigenen Vergnügen. Ausgesprochen populär waren auch von berühmten Komponisten die Transformation von Orgelwerken von Johann Sebastian Bach für das Soloklavier. Im Gegensatz zur Orgel hat das Soloklavier keine wählbaren Klangfarbenregister, sodass der Pianist gestalterisch erheblich gefordert ist. Populär war eben auch Mozarts Zauberflöte, vor allem die Arie Papagenos „Ein Mädchen oder Weibchen“. Beethoven schrieb darüber Variationen für Cello und Klavier. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten sich viele Opernhäuser zu populären Musikorten und die großen Klaviervirtuosen wie Chopin und Liszt nahmen gerne Motive aus bekannten Opern, vor allem auch um ihre spektakuläre Virtuosität zu demonstrieren.

Woher haben Sie Ihre Spezialkenntnisse über Klaviermusik?

Ich habe im Hauptfach Musikwissenschaft studiert mit Schwerpunkt auf Klaviermusik. Dann hatte ich eine unschätzbare Freundschaft über 15 Jahre hinweg mit dem Leiter der Klaviermeisterklasse am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau, Lev Vlassenko. Wir haben uns relativ oft gesehen und bei den Treffen nur ein Thema gehabt, nämlich die Interpretation von Klaviermusik. Die Namensendung -enko ist übrigens ukrainisch, geboren wurde er allerdings in Tiflis in Georgien. Er war eine faszinierende Persönlichkeit, konnte in mehreren Sprachen unterrichten und Shakespeare auswendig zitieren. Seine Tochter Natascha und ihr Mann Oleg Stepanov haben auch schon beim Böblinger Festival mitgewirkt.

Sie spielen ja sicher auch selbst Klavier, oder?

Ich hatte während meines Studiums über viele Jahre Klavierunterricht bei Katharina David, die bereits mit 16 Jahren die Meisterklasse am Wiener Konservatorium von Emil von Sauer besucht hat. Von Sauer war einer der legendären Schüler von Franz Liszt und ist hochbetagt in den 1940er Jahren gestorben. Auch hier habe ich natürlich viel über Klavierinterpretation gelernt.

Das Pianistenfestival gibt es seit 25 Jahren und hat sich zu einer Konstante entwickelt. Woran messen Sie den Erfolg?

Zum einen an unserem begeisterten und treuen Publikum. Zum anderen, wenn ich am Baumarkt an der Kasse stehen, und mir jemand auf die Schulter klopft und wissen will, was es denn beim nächsten Festival gibt.

Wie kommen Sie denn an die Pianistinnen und Pianisten, die in Böblingen auftreten?

Der Höhepunkt unserer Festival-Geschichte war von 2013 bis 2016 die Aufführung aller 32 Beethovensonaten mit acht verschiedenen Interpreten inklusive CD-Produktion. Wir haben die Konzerte mitgeschnitten und mit dem Stuttgarter Tonmeister Professor Oliver Curdt am nächsten Tag Korrektursitzungen gehabt, um die Fehler auszubessern. Die CDs haben exzellente Kritiken erhalten und nicht zuletzt dieses Projekt hat das Pianisten-Festival in der Szene sehr bekannt gemacht.

Und dadurch gehen Pianisten auch aktiv auf Sie zu?

Ich bekomme monatlich etwa ein bis zwei Bewerbungen. Zudem sind renommierte Wettbewerbe auf uns aufmerksam geworden. Die finden alle drei Jahre statt, und ich fahre dort auch selbst hin, um mir die Kandidaten anzusehen. So kommen zum Pianistenfestival 2023 mit Dasol Kim der zweite Preisträger des letztjährigen Beethoven-Wettbewerbs in Wien, mit Jonas Aumüller der Gewinner des jüngsten Brahms-Wettbewerbs in Detmold und mit Mihály Berecz der Gewinner des Liszt-Bartók-Preises beim „Concours Geza Anda“ in Zürich.

Fünf Konzerte in vier Wochen

Zur Person
 Ulrich Köppen hat Musikwissenschaft, Germanistik und Volkskunde studiert und an der Universität in Münster promoviert. Lange Jahre war er Kulturredakteur der Böblinger Kreiszeitung, dann Leiter des Kreisverbandes mittelständische Wirtschaft. Der inzwischen 70-Jährige hat seit den 1980er-Jahren Klavierkonzerte in Böblingen organisiert und dann das Pianistenfestival begründet – ab 2006 unterstützt durch Kulturamtsleiter Peter Conzelmann, der jetzt in Ruhestand geht und für den die kommende Auflage das letzte Festival sein wird.

Termine
 Am 13. Januar tritt Evgenia Rubinova auf, am 20. Januar folgt Jonas Aumiller. Dann ist am 27. Januar der Koreaner Dasol Kim an der Reihe, ehe am 3. Februar Mihály Berecz in die Kongresshalle kommt. Den Abschluss am 10. Februar gestalten Nik Kevin Koch (Gesang) und Alexander Sonderegger, die unter anderem „Die Winterreise“ von Franz Schubert vortragen.

Veranstaltungsort
Alle Konzerte sind freitags um 20 Uhr im Württembergsaal der Böblinger Kongresshalle.

Kartenvorverkauf
in der Volkshochschule im Höfle Böblingen und bei allen Easyticket-Vorverkaufsstellen. Mehr Infos unter www.pianistenfestival-bb.de im Netz.