Trine Dyrholm als skandinavische Königin Margrete Foto: Splendid/Dusan Martincek

Mit Gefühl hat die Dänin Margrete im Kino-Drama „Die Königin des Nordens“ um 1400 Skandinavien geeint – doch engstirnige Zeitgenossen gefährden ihr Projekt.

Stuttgart - Licht ist rar im Skandinavien des Jahres 1402, wie die dänische Filmregisseurin Charlotte Sieling („Borgen“, „Homeland“) es zeigt – im grauen Winterwetter spiegeln sich Herzen und Hirne. Alle sind gefangen in mittelalterlichen Vorstellungen von der Unwägbarkeit der Welt, überall blühen Intrigen, und es wird nie ganz klar, wer nun eigentlich zu wem steht und wer sich auf wessen Wort verlassen kann.

Dabei gäbe es Grund zur Freude: Dänemark, Schweden und Norwegen haben sich gerade vereint. Das verdanken sie der weitsichtigen Monarchin namens Margrete, die sich nach Kräften bemüht, die streitlustigen Männer einzuhegen. Einer davon ist ihr Adoptivsohn Erik (Morten Hee Andersen), der offiziell auf dem Thron sitzt. Er geht auf Konfrontationskurs, als plötzlich ein Mann auftaucht, der behauptet, Margretes leiblicher, lange für tot erklärter Sohn Oluf (Jakob Oftebro) zu sein.

Gegen jeden Rat konfrontiert die Monarchin sich mit der geschundenen Kreatur. Die dadurch gewonnene Erkenntnis nützt ihr wenig, viel wichtiger ist, wie andere das Thema spielen, welche Ränke sie schmieden – womöglich im Verbund mit den verhassten Deutschen.

Ein verlorener Sohn kehrt zurück

Sieling kontrastiert die politischen Auseinandersetzungen in dunklen Räumen mit Ansichten einer weitgehend menschenleeren Natur. Sie lässt den Blick ausschweifen, über gruslige Schlachtfelder, von Burgwällen aus über schlammige, neblige Weiten, vom Strand hinaus auf die unruhig wogende See, wo der Sturmwind Margretes verzweifeltes Schreien neutralisiert. Dieser einsame Ausbruch bleibt eine Ausnahme. Die Dänin Trine Dyrholm („Nico, 1988“), eine große europäische Charakterdarstellerin, stattet die Königin mit einem Pokerface aus, hinter dem in feinen Regungen ihr wahrer Gefühlszustand immer spürbar bleibt.

Großes, episches Arthaus-Kino

Sieling hat bislang vor allem an Serien gearbeitet und liefert hier großes, episches Arthaus-Kino. Mit einem kleinen Budget, detailverliebter Ausstattung und symbolischen Kulissen zeichnet sie ein glaubhaftes Bild des Mittelalters, das dem in Ridley Scotts „Last Duel“ (2021) in nichts nachsteht – dieser aber hatte 100 Millionen Dollar (rund 88 Millionen Euro) zur Verfügung.

Was zunächst als mittelalterliche Irrationalität erscheint – natürlich mischt die katholische Kirche munter mit –, entpuppt sich bald als universelle Verblendung: Bis heute negieren Menschen gern offensichtliche Fakten, wenn diese ihr Weltbild gefährden. Demagogen und Zündler, die Trumps und die Putins, arbeiten damit und sichern sich Einfluss, wo gesunder Menschenverstand schon daran scheitert, Menschen in einer Pandemie zur Impfung zu bewegen. Margrete ist gefangen in der Enge des kleingeistigen Denkens anderer. Wider besseres Wissen muss sie faule, schmerzhafte Kompromisse eingehen, um nicht alles zu verlieren. Wäre da nur mehr Licht.

Die Königin des Nordens. DK 2021. Regie: Charlotte Sieling. Mit Trine Dyrholm, Jakob Oftebro. 120 Minuten.