1:2 zum Auftakt gegen Japan. Joshua Kimmich und Antonio Rüdiger sind fassungslos ob des herben Rückschlags gegen den Außenseiter. Foto: imago//Dave Shopland

Joshua Kimmich und Kollegen droht das nächste Vorrunden-Aus bei einer WM. Es wäre der Tiefpunkt des auf Club-Ebene so erfolgreichen 1995er-Jahrgangs.

Es war mal von einer goldenen deutschen Generation die Rede. Von jungen Typen, die bald die Fußballwelt erobern. Von hoffnungsvollen Nationalspielern am Beginn ihrer enormen Schaffenskraft. Von so frechen wie talentierten Jungs, bei denen es doch nur eine Frage der Zeit sei, bis sie einen großen Titel bei einer EM oder WM holen. Der Triumph der jungen deutschen Elf um die 1995er-Jahrgänge Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Niklas Süle beim Confed-Cup 2017 in Russland galt als großes Versprechen für die Zukunft.

Bei der WM 2018 blockierte Joachim Löw einen Generationenwechsel

Fünf Jahre später lässt sich sagen, dass es noch nicht eingehalten worden ist.

Die Generation, zu der auch Serge Gnabry zählt, steht am Scheideweg. Das vorzeitige Vorrunden-Aus bei der WM in Katar, das nun an diesem Sonntag im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien (20 Uhr MEZ/ZDF) droht, es wäre zugespitzt formuliert nur die logische Folge der vergangenen beiden Großturniere. Oder, wie es der 27-jährige Mittelfeldmann Kimmich stellvertretend für sich und seine Altergenossen sagt: „Seitdem wir in der Nationalmannschaft am Werk sind, haben wir es einfach nicht geschafft. Ab 2018 war es schlicht nicht mehr gut.“

Bei der WM 2018 blockierte der damalige Bundestrainer Joachim Löw einen konsequenten Generationenwechsel vier Jahre nach dem Titelgewinn von Rio und brüskierte damit auch so manchen seiner Confed-Cup-Sieger von 2017. Fünf Jahre nach dem Erfolg beim Confed-Cup sind noch acht Akteure von damals im aktuellen WM-Kader dabei – mit der so prominenten wie ambitionierten 1995er-Gruppe um Kimmich, Goretzka und Süle sowie Kumpel Gnabry. Das Quartett hat zusammen die Jugendnationalteams des DFB durchlaufen, die vier sind gerade im besten Fußballeralter, wie das dann so schön heißt – und stehen nun gegen Spanien vor einem weiteren Tiefpunkt der Karriere.

Kimmich, Goretzka und Co. droht zum zweiten Mal nacheinander das Aus in der WM-Vorrunde

Es wäre der nächste nach 2018 beim desaströsen Vorrunden-Aus in Russland, nach dem beim hochehrgeizigen Kimmich die Tränen flossen. Bei dem Mann also, für den Verlieren zu den schlimmsten Dingen des Lebens zählt und der privat das Backgammon-Spielfeld wütend vom Tisch schleudert, wenn er vorher gegen seine Frau den Kürzeren gezogen hat. Kimmich weinte auch 2021 nach dem Achtelfinal-Aus bei der EM gegen England bitterlich. Er hofft nun, dass seine Augen an diesem Sonntag in Al-Khor gegen 0 Uhr Ortszeit nach dem Schlusspfiff gegen Spanien trocken bleiben.

Man muss es sich ja alles mal in Ruhe vor Augen führen, um was es da geht: Kimmich, Goretzka und Kollegen, jenen Typen also, die mit dem FC Bayern alles gewonnen haben, was es im Weltfußball zu gewinnen gibt, droht im Nationaltrikot zum zweiten Mal nacheinander das Aus in der WM-Vorrunde. Größer könnte die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht sein.

Der größte gemeinsame Erfolg der Kimmichs und Goretzkas: das EM-Achtelfinale 2021

Fast schon zwangsläufig drängen sich da Vergleiche mit der vergangenen goldenen Generation der DFB-Elf um Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm auf, die auch viele vergebliche Titelanläufe brauchte – ehe sie sich nach dem Gewinn der Champions League 2013 mit dem FC Bayern ein Jahr später mit dem WM-Triumph krönte. Hansi Flick erkannte zuletzt eine Parallele zwischen der Altersklasse von Schweinsteiger und Kimmich. „Die Generation damals war genauso heiß“, sagte der Bundestrainer, der 2014 als Assistent Löws in Brasilien dabei gewesen war.

Ansonsten aber gibt es wenige Gemeinsamkeiten zwischen den Gruppen. So erreichten Schweinsteiger, Lahm und Kollegen von 2006 an stets die Halbfinals bei den großen Turnieren, ehe 2014 der Titel folgte. Der größte gemeinsame Erfolg der Kimmichs und Goretzkas im DFB-Dress: das EM-Achtelfinale 2021.

Spanien ein Gegner, an dem schon Lahm und Schweinsteiger verzweifelt sind

Auch beim Aufstieg in der Hierarchie der Nationalelf war der Weg an die Spitze bei Lahm und Schweinsteiger ein anderer. Zunächst gab es da bis kurz vor der WM 2010 ein Alphatier namens Michael Ballack, das über allen anderen thronte. Es folgte die Emanzipation beim Turnier in Südafrika – und das Ankommen in der Chefrolle 2014 in Brasilien. Schon damals war die Hierarchie in der DFB-Elf aber eher eine flache – was sich bis heute mit Kimmich, der das aktuelle Team mit Goretzka sowie den Rio-Weltmeistern Manuel Neuer und Thomas Müller intern anführt, so fortsetzt.

Jetzt wartet an diesem Sonntag also Spanien. Es ist ein Gegner, an dem einst schon Lahm und Schweinsteiger verzweifelt sind. Ein Sieg gegen Spanien bei einem großen Turnier wäre also auch auf der Ebene der Emanzipation kein unbedeutender Schritt.

Für die Generation, die 2017 angetreten ist, um die Fußballwelt zu erobern.