Wer wohnt schon in Botnang? 12.831 Menschen. Und die freuen sich nicht, dass in den Sommerferien keine Stadtbahn fährt. Ein – nur lieb gemeinter – Zwischenruf.
Was steht auf chinesischen Postkarten nach Stuttgart? Bot Nang. Mein alter Geschichtslehrer bemühte diesen heute aus der Zeit gefallenen Witz gerne. Meistens an Schneetagen, die es in den Wintern der frühen 90er noch gab, wenn wir Botnanger Schüler irgendwann, die erste Stunde war schon weit fortgeschritten, ins Klassenzimmer stapften – dampfend, mit klammen Fingern und roten Ohren, kleine Pfützen aus Schmelzwasser hinterlassend, weil die Strampe bei winterlichen Straßenverhältnissen nicht über den Botnanger Sattel kam. Nichts zu machen. Wir mussten laufen. Damit Sie mich richtig verstehen: Wir sprechen von den 1990ern – nicht den 1890ern.
Botnanger waren schon immer so was wie die Blondinen oder Ostfriesen von Stuttgart – man fand sie irgendwie süß, aber auch ein bisschen dusselig. „Wer wohnt schon in Botnang?“ Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Ein Kesselchen neben dem Kessel. Ein Dorf, das sich (so geht die Kuckuckslegende, lesen Sie es nach) eben mal einen ganzen Wald abluchsen lässt, weil man dort so treudoof-gutmütig ist. Die wirklich coolen Leute leben im Westen oder Süden – oder wenigstens in den Kreuzbergisch-hipp anmutenden Ecken von Bad Cannstatt.
Keine Durchfahrt von Januar bis August
Und deshalb kann man es mit uns auch machen. Man kann uns wochen-, monatelang wichtige Zufahrtsstraßen sperren – die lapidare Bemerkung aller Nicht-Botnanger lautet stets: „Warum wohnt man auch in Botnang?“ In diesem Jahr war der Obere Kirchhaldenweg Richtung Wildparkstraße und Solitude mehrere Monate wegen Bauarbeiten zu. Wir nahmen es hin – und freuten uns wie Bolle, als die Sperrung ein paar Wochen früher wieder aufgehoben wurde als gedacht. Man hatte uns nämlich via aufgestellten Schildern aufs Schlimmste vorbereitet: Keine Durchfahrt von Januar bis August (!). Hey, sind ja nur schlappe acht Monate.
Botnanger haben sich in diesen Fragen längst eine schicksalsergebene, stoische Gelassenheit zugelegt, die jeden Zen-Meister neidisch machen würde. In den vergangenen fünf Jahren gehörte es schon fast dazu, dass irgendein Wasserrohr am Botnanger Sattel barst und die einzige direkte Verbindung in den Westen für Wochen unbefahrbar machte. Im vergangenen Jahr wurden die Rohre dann endlich mal runderneuert – dafür war die Straße dann auch monatelang zu.
Haben Sie gewusst, dass Botnang in diesem Jahr 950 Jahre alt wird? Wir haben schon ordentlich gefeiert: Mit Dîner en blanc, Skater-Contest und dreitägigem Kuckucksfest, das ziemlich nass ausgefallen ist. Aber wir halten das aus. Und jetzt? Ersatzverkehr. Liebe SSB, wir wissen ja nicht, was Ihr unter einem guten Geburtstagsgeschenk versteht, aber das fällt eher in die Kategorie Socken unterm Christbaum. Zwischen dem 31. Juli und dem 31. August fahren die Linien U2 und U9 nicht nach Botnang. Diesmal wird zwischen Vogelsang und Lindpaintnerstraße gebuddelt. Wer nach Botnang will, der muss sich ab Schwab-/Bebelstraße in einen Ersatzbus setzen. Ersatzverkehr. Gibt es ein schöneres Wort in der deutschen Sprache?
Wer wohnt schon in Botnang? Er soll diese Menschen geben. 12.831, als man das letzte Mal durchgezählt hat. Aber hey: Mit uns kann man’s ja machen.