Justin Urbach zeigt in SIndelfingen seine erste institutionelle Ausstellung. Foto: Eibner-Pressefoto/Francesco Consentino

Mit dem menschlichen versus maschinellen Sehen setzt sich Justin Urbach in seiner Schau „BLINDHÆD“ in der Galerie der Stadt Sindelfingen auseinander.

Wer derzeit das Schaufenster junge Kunst im Erdgeschoss der städtischen Galerie in Sindelfingen betritt, sollte nicht ohne Weiteres seinen Augen trauen.

Zunächst fällt im bläulich beleuchtetem Raum zur Linken eine großformatige Medienarbeit mit der Projektion einer Laseroperation an der Wand auf, die von algorithmischen, sphärischen Klängen und feinen Bitzel-Geräuschen eines Soundkünstlers untermalt wird. Anders als es erscheint, dauert so eine OP nur wenige Sekunden, und das überbelichtete Auge mit den fahlen Wimpern, das hier scheinbar von der Kamera umrundet wird, ist 3-D-animiert.

Premiere in Sindelfingen

Bei Justin Urbach ist selten etwas so, wie es zu sein scheint. „Ich komme von der Kamera her“, sagt der 1995 in München geborene Künstler, der an der dortigen Akademie der Bildenden Künste Medienkunst und Fotografie studiert hat. Für seine Diplomarbeit „Fractal Breeze“ hat er 2023 den Preis der Erwin-und-Gisela-von-Steiner-Stiftung erhalten, in Sindelfingen zeigt er nun seine erste institutionelle Ausstellung.

Bei Urbach ist selten etwas so, wie es zu sein scheint Foto: Eibner/Francesco Consentino

Lasertechnik taucht auch in anderen von Urbachs Arbeiten auf, so in Wandreliefs aus ausgestanztem Stahl oder in seiner Arbeit „Through the Cracks“. Für diese hat er einen Monitor mit Laser-Gravuren von collagierten wissenschaftlichen Zeichnungen versehen, sodass der Screen vom Wiedergabegerät zum eigenständigen Informationsträger gerät und die Bedingungen des Sehens offenlegt.

In einer weiteren, skulpturalen Arbeit leitet Urbach einen Laserstrahl über eine aufgehängte Fernsehröhre und lässt sie auf einer nachgebildeten Membran aus übereinander gelagerten Acrylschichten mit Lasergravuren von wissenschaftlichen Zeichnungen treffen. Die Arbeit veranschaulicht zugleich das menschliche Sehen, moderne Bildgebungsverfahren und die technologische Erweiterung des Sehens, denn in den Grafiken geht es um Forschung an Mäusen, denen mittels Nanopartikeln Infrarotsehen beigebracht wurde, was für eine militärische Nutzung von Bedeutung ist.

Ein Straßenschild als Inspiration

Was die Zukunft bringt, lässt sich in der Installation „Subtle Echo II“ erfahren: Die lasergravierte Monitorwand mit wissenschaftlichen Zeichnungen befasst sich mit Methoden, Blinden das Sehen beizubringen. Dazu wird ein Mikrochip hinter der Hornhaut implantiert und mit dem Gehirn und einer speziellen Brille verbunden, welche die kaputten Fotorezeptoren ersetzt und die Farbinformationen vermittelt. Ist das alles visionär oder unheimlich, und inwiefern kann es missbraucht werden?

Vielleicht hilft der Titel der Ausstellung weiter. Die von Marisa Zeising kuratierte Schau nennt sich „BLINDHÆD“. Dabei handelt es sich um ein isländisches Straßenschild, das vor eingeschränkter Sicht warnt. Mit den Modifikationen des Sehens ist also mit Bedacht umzugehen.

Was ist menschliches Sehen, was Technik? Foto: Eibner/Francesco Consentino

Nicht mehr um das körperliche, sondern das maschinelle Sehen geht es bei der eigens für die Galerie geschaffenen Installation „Blind Spot“ im zweiten Raum des Schaufensters junge Kunst, die aus einem mehrteiligen, schräg aufgehängten Bildschirm besteht. Hier visualisiert Urbach das maschinelle Sehen mit einer sogenannten Event-basierten Kamera, die ausschließlich Bewegungen filmt und Pixelbilder entstehen lässt, die auch die zeitliche Dimension zeigen und aus denen sich 3D-Volumen extrahieren lassen. Eventbasierte Kameras braucht man etwa beim autonomen Fahren.

Angenehmer Schwebezustand

Urbach imaginiert in seiner Installation einen eben erwachenden Menschen, der plötzlich über maschinelles Sehen verfügt. Die Musik kreierten Sounddesigner, die sie wiederum aus Algorithmen gewonnen haben, welche Bewegung und Helligkeit analysieren. Was ist menschliches Sehen, was Technik? Das bleibt in der faszinierenden Schau angenehm in der Schwebe.

Die Schau ist bis zum 25. Mai zu sehen. Mehr Infos es online: www.galerie-sindelfingen.de