Mit versteinerter Miene verließ Amber Heard den Gerichtssaal in Fairfax. Foto: AFP/WIN MCNAMEE

Nach sechs Wochen geht der vielbeachtete Prozess zwischen den Schauspielern Johnny Depp und Amber Heard zu Ende. Die Jury gibt größtenteils ihm Recht – verloren haben aber beide.

Eine lautstarke Öffentlichkeit hatte ihr Urteil längst gefällt, als die Jury in Fairfax noch beriet: Als Johnny Depps Anwälte am Mittwoch aus dem Gerichtsgebäude kamen, brach Jubel aus, „Johnny, Johnny“-Sprechchöre. Der Hollywoodstar selbst war nicht dabei, als die Jury ihm in den meisten Punkten seines Verleumdungsprozesses gegen seine Ex-Frau Amber Heard Recht gab: Direkt nachdem die Anwälte am Freitag ihre Schlussplädoyers gehalten hatten, war der 58-Jährige nach Europa gereist – für Konzertauftritte mit seinem Kumpel, dem Rockgitarristen Jeff Beck. Angeblich war er in einem englischen Pub, als in den USA das Urteil verlesen wurde, berichten britische Medien.

Wer dem Urteil der Jury mit versteinerter Miene folgte, war seine geschiedene Frau. Amber Heard trug Schwarz, als sie hörte, wie die Geschworenen entschieden hatten. Dass die ihr in wenigen Punkten Recht gaben, dürfte ein schwacher Trost für die 36-Jährige sein. Die Jury glaubte ihr nicht, dass sie in ihrer Ehe physisch, psychisch und sexuell misshandelt wurde. Sie muss ihrem Ex-Mann über zehn Millionen Dollar Schadensersatz zahlen – er ihr zwei. Für Aussagen seines Ex-Anwalts, die Heards Ruf geschädigt hätten.

Die Sympathien waren ungleich verteilt

Die Sympathien einer lauten Anhängerschaft hatte Depp schon seit Beginn des Prozesses auf seiner Seite: Täglich wurde er von Fans erwartet, wenn er ins Gerichtsgebäude ging, unter Hashtags wie #JusticeforJohnny ergriffen etliche Menschen im Netz Partei für ihn.

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Amber Heard genoss deutlich weniger Unterstützung, wurde dagegen in den sozialen Medien zum Teil aufs Übelste angegriffen. „Ich werde jeden einzelnen Tag belästigt, gedemütigt und bedroht, allein schon, wenn ich in diesen Gerichtssaal laufe“, sagte Heard vor der Jury. „Ich bekomme regelmäßig Hunderte Morddrohungen, quasi täglich. Tausende, seit dieser Prozess begonnen hat.“ Das wird nicht aufhören, nur weil in der Sache ein Urteil gefallen ist.

Unappetitliche Details, die haften bleiben

Die Jury mag in Depps Sinn entschieden haben, als Verlierer gehen aber beide aus dem Gerichtssaal: In dem sechs Wochen dauernden Prozess kamen etliche unappetitliche Details aus dem Haus des Superstars aufs Tapet. Der Liebling der Kinogänger, Captain Jack Sparrow aus der „Fluch der Karibik“-Filmreihe hatte ein massives Drogen- und Alkoholproblem. Er pflegt einen fragwürdigen Umgangston – zumindest in seiner zutiefst dysfunktionalen Beziehung zu Amber Heard – und hat offenbar einen Hang zu dunkelstem, geschmacklosen Humor. Eine abgetrennte Fingerkuppe wegen geworfener Wodkaflaschen, mit Blut geschriebene Botschaften, Fäkalien im Bett – das alles lässt auch den Schauspielstar nicht gut aussehen. Abschütteln werden diese Assoziationen weder Depp noch Heard. Filmstudios werden sich in Zukunft ganz genau überlegen, ob sie damit in Verbindung gebracht werden wollen.

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Heards Anwalt Benjamin Rottenborn sagte in seinem Plädoyer, ein Urteil gegen Heard wäre eine niederschmetternde Botschaft für Missbrauchsopfer auf der ganzen Welt. Kurz nach der Urteilsverkündung verbreitete die Schauspielerin ein Statement

Dass die Jury ihr trotz eines „Bergs an Beweisen“ größtenteils nicht geglaubt habe, breche ihr Herz. Schlimmer noch, dies sei ein „Rückschritt“ für andere Frauen in ähnlicher Situation, schrieb Heard. Es sei ein Rückschlag für die Vorstellung, „dass Gewalt gegen Frauen ernst zu nehmen ist“.

Bei Depp klingt das anders: Für ihn habe nun endlich ein neues Kapitel begonnen, ließ er verlauten. Die Jury habe ihm sein Leben zurückgegeben, nachdem er sechs Jahre unter falschen Anschuldigungen gelitten habe. „Das Beste kommt erst noch.“