Die Abhängigkeit von sogenannten „Kritischen Metallen“ steht im Mittelpunkt von Jill Kiddons Ausstellung „Lux Ore“ in der Galerie der Stadt Sindelfingen.
Wer derzeit durch die Fenster in das Erdgeschoss der Galerie der Stadt Sindelfingen blickt, könnte meinen, in eine Art morbide Fertigungsstraße für E-Fahrzeuge geraten zu sein: Dort sind sandüberkrustete Stoßstangen und Flachbildschirme zu sehen, von denen aus Kabel und Schläuche zu geheimnisvollen Behältnissen im Zentrum verlaufen, Autobatterien symbolisierend, in denen sich wertvolle Kristalle oder Edelsteine wie die Hostie im Tabernakel zu finden scheinen.
Kiddons Werke dominieren zwei Räume
In der Tat sind die Mineralien für den Menschen unentbehrlich, denn es handelt sich um die so genannten „Kritischen Metalle“ Chalkopyrit, Garnierit, Skutterudit, Graphit und Diaspor. Sie stecken in Alltagsprodukten wie Autos, Smartphones und Bildschirmen, und es drohen wegen der global steigenden Nachfrage Versorgungsengpässe. „Lux Ore“, „Licht-Erz“, hat die ursprünglich aus Silver Spring in den USA stammende und nun in Berlin ansässige Künstlerin Jill Kiddon ihre Ausstellung genannt. Ihr Studium hat sie in Karlsruhe absolviert und ist so auch der Region verbunden. 2023 gewann sie den Kalinowski-Preis der Staatlichen Kunstakademie Karlsruhe.
Das Schaufenster Junge Kunst umfasst unter der neuen Galerieleiterin Hannah Eckstein inzwischen beide Räume im Erdgeschoss; die Sammlung Lütze ist in den zweiten Stock gewandert. „Wir geben den Künstlern die Freiheit, neue Werke zu entwickeln“, sagt Eckstein. Beide unteren Räume werden von Kiddons skulpturalen Apparaturen dominiert, die in Aluminiumgerüste eingebaut sind, auch dies ein Kritisches Metall. An den Seitenwänden werden sie von digital modifizierten Hochglanz-Fotografien dieser Metalle flankiert, die auf spiegelnden Flächen zur Schau gestellt sind – in einem Raum auf den Positiven der Bilder, im anderen auf den Negativen. Wo Platte und Stein zusammentreffen, findet sich in den Negativen eine schwarze Leerstelle, die für die Zerstörung beim Abbau und der Verarbeitung der Metalle steht. Auch für erneuerbare Energien muss man Umweltzerstörung in Kauf nehmen. An den Positiven verläuft dort dagegen ein Lichtstrahl, ein Symbol für die Energie, welche die Metalle liefern. Die grünlich, gelblich und lila schimmernden Erze sind mit ihrem schönen Schein so verlockend wie in einem Juweliergeschäft inszeniert.
Jill Kiddon hat die zwei Installationen nicht zufällig für die Autostadt Sindelfingen konzipiert und eigens für die Räume der Galerie geschaffen. Die Dimensionen orientieren sich an den Oberlichtdecken, die Glasbehälter mit den Metallen markieren gleichsam „das Herzstück der Installationen“, so Hannah Eckstein. Dabei interessieren Jill Kiddon neben den skulpturalen Eigenschaften ihrer Arbeit auch die Beschaffenheit der Oberflächen. Sprünge und Oxidierungen der in Epoxidharz gegossenen Flachbildschirme bestechen mit malerischen Eigenschaften und beziehen durch Spiegelungen den Umraum ein. Auch die Sandkrusten zeichnen sich durch ästhetische Qualitäten aus, veranschaulichen zugleich aber die ächzende Wirkung von Batteriesäure. In den malerischen oder reliefhaften Elementen lässt Kiddon außerdem dem Zufall Raum.
Kunstwerke vom Schrottplatz
Jill Kiddon nutzt für ihre Arbeiten Schrott – direkt neben ihrem Atelier liegt ein Schrottplatz. Zum Teil besorgt sie ihn auch vom Sperrmüll oder erwirbt ihn auf Ebay. Thematisch fügt sich die Ausstellung gut in Hannah Ecksteins Jahresprogramm der Galerie ein: Ab dem 29. September ist in der Galerie die Ausstellung „Aléas“ des Pariser Künstlers Hicham Berrada zu sehen, der chemische und physikalische Prozesse in seinen Versuchsanordnungen ähnelnden Arbeiten in Gestalt von Installationen, Skulpturen, Videoarbeiten und Performances nützt. Außerdem ist ab dem 16.11 im Obergeschoss Chris Succo zu sehen, bei dessen Schau „Shadows are Phantoms“ ebenfalls die Dualität von Technologie und Natur im Fokus steht.