Forschern ist es erstmals gelungen, DNA aus dem ältesten Käse der Welt zu gewinnen. Der 3500 Jahre alte Kefir diente chinesischen Mumien einst als Proviant für ihre Reise ins Jenseits.
Der Jenseits-Kult hat in der Menschheitsgeschichte üppige und mitunter bizarre Züge angenommen. Im alten Ägypten glaubte man, dass die Seele eines Toten in einer jenseitigen Welt weiterlebt.
Deshalb wurden Gräber wie das Haus des Verstorbenen eingerichtet. Die Verstorbenen bekamen Grabbeigaben mit für ihre Reise in die Ewigkeit. Der einbalsamierte Leichnam des Pharaonen diente der Seele des Verstorbenen als Gefäß im Jenseits.
Da auch tote Seelen Nahrung brauchten, wurden die Gräber mit Vorräten ausgestattet. In der Grabkammer von Pharao Tutanchamun (1332-1323 v. Chr.) fanden Archäologen 116 Obstkörbe, 40 Weinkrüge sowie Behälter für Fleisch und Brot.
Käse als Grabbeigabe für das Jenseits
Was man in den Gräbern des alten Ägyptens nicht fand, war . . . Käse.
Viele Lebensmittel wie Sauerkraut, Sauerteig, Joghurt oder Käse werden fermentiert. Durch die Gärung, die Pilz- und Bakterienkulturen auslösen, wird Nahrung länger haltbar.
Diesen genialen Trick der Lebensmittelverarbeitung kennt die Menschheit schon seit mindestens 9000 Jahren. Doch wie unsere Vorfahren einst bei der Fermentation vorgingen, ist kaum bekannt.
„Mumienkäse“: Das fehlende Puzzleteil
Yichen Liu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seinem Team ist es nun gelungen, mehr über die Fermentation bei der frühen Käseherstellung zu erfahren – mit der Hilfe von Grabbeigaben, die bei Mumien gefunden wurden.
Die vor der Verwesung bewahrten Leichname gehörten einst zum Volk der Xiaohe aus dem Tarimbecken im Nordwesten Chinas.
Um ihren Hals trugen die Verstorbenen einen außergewöhnlichen Proviant für den Weg ins Jenseits: mehrere Stücke Kefir-Käse, den heute ältesten bekannten Käse der Welt.
Wie der Käse hergestellt wurde, konnten die Wissenschaftler aus dem genetischen Code des Methusalem-Käses erschließen. Modernste genanalytische Methoden halfen dabei, auch Jahrzehnte nach der Entdeckung der Mumien die Geheimnisse des Uralt-Kefirs zu ergründen.
Die Studie ist im Fachmagazin „Cell“ erschienen.
Kefir-Tradition von Steppennomaden übernommen
Das Volk der Xiaohe produzierte seinen Kefir demnach aus Kuh- und Ziegenmilch. Die Technik der Käseherstellung erwarben die Xiaohe von eurasischen Steppenvölkern, die als Nomaden im Westen Chinas umherzogen.
Neben der Milch benötigen die frühen Käsemeister Kefirknollen mit Milchsäurebakterien (Lactobacillus kefiranofaciens) und Hefepilzen (Pichia kudriavzevii). Das Gemisch gärte tagelang in der Milch, bis daraus Kefir wurde. Nachdem der trüben Brühe die Feuchtigkeit entzogen worden war, wurde sie zu festem Kefirkäse weiterverarbeitet.
Käse-Produktion seit der Bronzezeit
Die Forscher fanden zudem heraus, dass sich die Rezeptur seit 3500 Jahren kaum geändert hat. „Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Kefir-Kultur in der nordwestchinesischen Region Xinjiang seit der Bronzezeit gepflegt wird“, erklärt Seniorautor Qiaomei Fu.
Es sei aufregend zu sehen, wie viele Informationen aus diesen Käsen gewonnen werden können, betont Koautor Yimin Yang von der Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking. „Organische Rückstände öffnen ein Fenster in vergangene menschliche Verhaltensweisen und Kulturen, die in der Geschichte und in Aufzeichnungen verloren gegangen sind.“