Putin im Visier der Justiz Foto: AFP/MIKHAIL METZEL

Russland verschleppt aus den besetzten ukrainischen Gebieten Kinder nach Russland. Nun hat das Weltstrafgericht auf die Kriegsverbrechen reagiert.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Putin sei mutmaßlich für die rechtswidrige Deportation von Kindern und Umsiedlungen aus besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation verantwortlich, teilte der IStGH am Freitag mit.

In den vergangenen Monaten hatte Russland aus den besetzten ukrainischen Gebieten, vor allem aus dem Donbass, aus Mariupol und Cherson, Kinder und zahlreiche Jugendliche in Heime und Einrichtungen in Russland gebracht. Moskau nannte das Vorgehen eine „Evakuierung“, Kiew sah darin eine „Deportation“. Teilweise wurden Kinder ohne Eltern offenbar auch in Pflegefamilien untergebracht oder adoptiert. Putins Kommissarin für Kinderrechte, Marija Lwowa-Belowa hat mehrfach öffentlich bestätigt, dass die Kinder umerzogen werden sollen, um „Russland zu lieben“. Auch gegen sie wurde Haftbefehl erlassen.

Mehr als 16 000 Kinder verschleppt

Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar mehr als 16 000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt. Ein vom UN-Menschenrechtsrat zusammengestelltes Ermittlerteam gab an, die Zahlen nicht bestätigen zu können. Es verwies aber auf Hinweise, wonach russische Behörden ukrainische Kinder in Kinderheimen oder Pflegefamilien unterbringen und ihnen die russische Staatsbürgerschaft verleihen. Unter anderem habe der russische Präsident Wladimir Putin einen Erlass unterzeichnet, wonach Kinder unter bestimmten Bedingen in vereinfachtem Verfahren Russen werden können.

Auf den ersten Blick ist Den Haag gar nicht befugt, gegen russische Kriegsverbrecher vorzugehen. Weder Russland noch die Ukraine haben das Römische Statut unterschrieben, mit dem der Internationalen Strafgerichtshof vor rund 20 Jahren ins Leben gerufen wurde. Auch die USA gehören nicht zu den Vertragsstaaten. Allerdings hatte sich Kiew nach der Annexion der Halbinsel Krim 2014 der Gerichtsbarkeit des Strafgerichts unterworfen. Deshalb können Ermittler aus Den Haag nun die Kernverbrechen auf ukrainischem Territorium untersuchen – und machen das auch schon seit Beginn des Krieges. Im Auftrag von Chefankläger Karim Khan sammeln sie Beweise, um irgendwann einmal gegen die Täter vorzugehen.

Wie Russlands Reaktion ausfällt

Russland ist als Nichtmitglied des ICC nicht verpflichtet, sich an einem Verfahren zu beteiligen. Das scheint Moskau auch nicht vor zu haben. Nachdem am späten Freitagmittag die Entscheidung aus Den Haag bekannt wurde, reagierte man in der russischen Hauptstadt zunächst unbeeindruckt: „Die Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs haben für unser Land keine Bedeutung, auch nicht in rechtlicher Hinsicht“, schrieb die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf ihrem Telegramm-Kanal. „Mit dem Organ arbeitet Russland nicht zusammen“, Entscheidungen aus Den Haag seien „für uns juristisch nichtig.“

Allerdings: Auf Immunität könnte sich Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof nicht berufen, so lange es um sogenannte Kernverbrechen geht. Das sind Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord.

Was die Ukraine dazu sagt

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßt die Entscheidung. „Die Räder der Gerechtigkeit drehen sich“, twitterte er. „Internationale Verbrecher werden für den Diebstahl von Kindern und andere internationale Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.“