Romeo verguckt sich in Julia? Das geht gar nicht, da muss seine Mutter aber sofort einschreiten. Foto: /Simon Granville

Die inklusive Theatergruppe alledabei spielt Shakespeares Drama. Die Regisseurin Elisabeth Kolofon hat das Geschehen von Verona nach Leonberg und Eltingen verlegt.

Am Anfang der Probe tanzen und singen wieder alle zu dem Lied, dass zum Markenzeichen der Inklusiv-Theatergruppe Alledabei geworden ist: „Zusammen sind wir wunderbar, verschieden, aber unschlagbar“ lautet der Text zur Melodie von „Go West“, das die Pet Shop Boys 1993 von den Village People gecovert hatten. Es ist schwungvoll und verbreitet gute Laune. Auch sonst ist bei dem neuen Stück „Romeo und Julia“ viel Musik zu hören. Dafür sorgen vor allen Dingen die Regisseurin Elisabeth Kolofon am Akkordeon und Hermann Münch an der Gitarre.

Auf der Bühne entdeckt der Zuschauer zwei Ortsschilder. Auf dem einen steht Eltingen mit einem Esel darauf, auf dem anderen Leonberg mit einer Schnecke. Beide Orte und die Zwistigkeiten zwischen ihren Bewohnern in der Vergangenheit, von denen einige bis heute überlebt haben, inspirierten Elisabeth Kolofon zu dem Liebesdrama zwischen Romeo, der jetzt in Eltingen lebt, und Julia, deren Heimat Leonberg ist. „Vor einem halben Jahr habe ich mit dem Trainer unserer inklusiven Tischtennisgruppe über den Zusammenschluss der Sportvereine TSG Leonberg und TSV Eltingen gesprochen. Er hat erwähnt, dass es da noch viele Animositäten gäbe“, sagt Kolofon. „In seiner Jugend wäre es undenkbar gewesen, dass ein Eltinger Mädel einen Jungen aus Leonberg geheiratet hätte.“ Das habe sie an Romeo und Julia erinnert. Daraufhin hat sie das Theaterstück mit einem lokalen Bezug geschrieben.

„Es gibt da immer noch viele Animositäten“

Joachim Schäfer als Chronist gibt zu Beginn der Aufführung dem Publikum erst einmal Auskunft über die besondere Konstellation beider Orte und erklärt, dass die Zuschauer hier „Romeo und Julia in abgewandelter Form“ erleben würden. Julias Mutter, die von Annette Neumann gespielt wird, muss schauen, wie sie über die Runden kommt, nachdem sich der Vater ihrer Tochter mit einer jungen Dame aus dem Staub gemacht hat. Und so hat sie für ihre Tochter Julia Graf Paris (Sebastian Kolofon), den „reichsten Junggesellen weit und breit“, als Ehemann ausgeguckt. In Julias Augen, die von Sandra Pregitzer verkörpert wird, ist er hingegen „ein reicher alter Knacker“. Während Romeo als „Bauerntrampel aus Eltingen“ bezeichnet wird, wirft Romeos Mutter (Andrea Kauderer) Julia Vornehmheit vor. Für Romeos und Julias Mütter ist eine Verbindung ihrer Kinder schlicht undenkbar.

Elisabeth Kolofon gelingt es bei dem neuen Stück erneut, humorvolle Elemente in die Texte einzubauen, die manchmal auch lokalpolitische Anspielungen enthalten. Dass Julias Amme (Annalies Müller) aus gesundheitlichen Gründen nicht auftreten kann, hat sie geschickt und mit Witz in den Griff bekommen: „Habt ihr nicht den Rettungshubschrauber gehört?“, sagt die Putzfrau (Heidrun Kolodzick) auf der Bühne. Darauf kommt die ungläubige Antwort: „In Leonberg?“ Hier hat Kolofon die Verlegung von Christoph 41 im Visier.

Humorvolle Elemente – lokalpolitische Anspielungen

Nicht nur auf diese Weise sorgt das Stück immer wieder für Lacher. Die Bäcker haben zugemacht. Michaela Wahl stellt sich bei ihrem Auftritt als „MoBae“ vor. Eine was? „Das ist eine mobile Bäckerei. Jetzt müssen die Leute mir hinterherfahren“, klärt sie die anderen auf. Und wieso ist das so? „Wegen Perma.“ Perma steht für Personalmangel. Elisabeth Kolofon nimmt hier die inzwischen überall üblich gewordenen Abkürzungen herrlich aufs Korn.

Simon Keim zeigt als Romeo, wie schnell sich junge Menschen über eine Liebe, die zu Ende gegangen ist, hinwegtrösten können. Eben noch trauert er Rosalinde hinterher, ist im wahrsten Sinne des Wortes am Boden zerstört, weil sie sich von ihm getrennt hat – und schon wenig später verliebt er sich in Julia. Allerdings ohne seinen Freund Freddy liefe da nichts. Er treibt ihn an, sich an Julia heranzuwagen.

Wie aber können Romeo und Julia zusammenbleiben, ohne von ihren Müttern wieder auseinander gerissen zu werden? Hat Julias Cousine (Julia Bläsi) ihr eigenes Leben auch nicht so recht im Griff – sie hat keinen Partner, ist aber schwanger – und ist laut Elisabeth Kolofon eher „eine tragische Figur“, so weiß sie für Romeo und Julia doch Rat: Es hilft nur eine Nottrauung. Anton Kurzer als Pfarrer in Soutane und mit passender Kopfbedeckung schafft klare Verhältnisse.

Es hilft nur eine Nottrauung

Papierschlangen auf dem Boden? „Hat denn hier keiner Kehrwoche gemacht“, befördert Julias Mutter die Zuschauer in die schwäbische Realität. Dann muss sie erfahren, dass hier gerade eine Hochzeit stattgefunden hat, jene zwischen ihrer Tochter und dem Eltinger Romeo. Sie ist schockiert – und das nicht nur, weil ihre Träume zerplatzt sind. Julias Mutter macht deutlich, dass man sich durch ihren Schwiegersohn in spe einiges an Investitionen in der Stadt erhofft hat. „Denkt nur mal an die Stadthalle, an die Kindergärten, die Seilbahn … das ist ein Investor. Die Stadt braucht doch das Geld,“ sagt sie nachdenklich.

Auch wenn es bei der Leonberg-Eltinger Liebesgeschichte ebenso wenig wie bei Shakespeare an dramatischen Momenten mangelt, so darf der Zuschauer doch auf ein Happy End hoffen.

Die Vorstellung von „Romeo und Julia“ am Samstag, 6. April, im Theater im Spitalhof, ist bereits ausverkauft. Gelegenheit, das Stück zu sehen, besteht während der Leonberger Theatertage am Sonntag, 28. April, um 19 Uhr oder bei der Generalprobe am Freitag, 5. April, um 18 Uhr – beide ebenfalls im Theater im Spitalhof. Karten sind über Reservix, beim i-Punkt und bei der Leonberger Stadthalle erhältlich. Rollstuhlplätze gibt es über elisabeth.kolofon@lebenshilfe-leonberg.de