Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). (Archivbild) Foto: dpa/Christoph Schmidt

Beim „Impfgipfel“ in Baden-Württemberg finden sich mehr als 70 Teilnehmer auf der Gästeliste. Sie haben Erwartungen und Ideen - und sicher nicht mehr viel Geduld.

Stuttgart - Es soll alles vorbereitet sein für den Tag, an dem endlich so viel Impfstoff in den Regalen liegt, wie Land und Ärzte seit Monaten hoffen. Mit hohen Erwartungen schalten sich deshalb Verbände, Politiker und Experten am Freitag (11 Uhr) zum sogenannten Impfgipfel des Landes zusammen. In der Videoschalte mit Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) soll es vor allem um die praktische Umsetzung des Impfens gehen.

Wer nimmt teil am Impfgipfel?

Auf der Teilnehmerliste stehen mindestens 76 Namen. Neben Gesundheitsminister Lucha sind Kommunalpolitiker wie Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) dabei. Am Tisch sitzen aber auch Ärztekammer, Apothekerverband und Krankenhausgesellschaft ebenso wie die Regierungspräsidien, die kommunalen Landesverbände und Krankenkassen, das Landesgesundheitsamt und Vertreter der Impfzentren.

Ist die Liste nicht ein bisschen lang für ein Gipfeltreffen?

„Es ist in der Tat ein weites Teilnehmerfeld“, sagte Carmen Gonzalez vom Landesapothekerverband. „Aber es bildet auch ab, wie viele kommunale Ebenen, Institutionen und Leistungserbringer am Gelingen der Impfkampagne beteiligt sind.“ Die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) sieht das ähnlich: „Es sind nun mal so viele unterschiedliche Institutionen an der Impfkampagne beteiligt“, sagt Sprecherin Swantje Middeldorff.

Was ist das Ziel des Gipfels?

Nach Angaben Luchas soll der Gipfel dazu dienen, die nächste Phase der Impfkampagne in Baden-Württemberg vorzubereiten. Stehe deutlich mehr Impfstoff zur Verfügung, breche „eine neue Phase für die Impfungen im Land an“, sagte der Minister vor den Gesprächen. Das Impfen sei der wichtigste Schritt, um langfristig wieder zu einem möglichst normalen Alltag zurückzukehren. Der Chef des Klinikums Stuttgart, Jan Steffen Jürgensen, spricht von einem „Wettlauf gegen die Zeit“. Es seien alle gefordert.

Welche Erwartungen haben die anderen Teilnehmer?

Nicht nur die Wirtschaft drückt aufs Tempo. „Wir müssen jetzt den Impf-Turbo zünden und dazu alle impffähigen Ärztinnen und Ärzte von Anfang an und ohne Ausnahme aktivieren“, fordern die Spitzenverbände der Südwestwirtschaft, der Baden-Württembergische Industrie und Handelskammertag (BWIHK) und die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW). Das sehen auch die Apotheker so. Die Kassenärztliche Vereinigung fordert, dass Arztpraxen in gleichem Ausmaß mit Impfstoff ausgestattet werden wie Impfzentren.

Der Städtetag dringt auf „ein gemeinsames Verständnis“ für die anstehende Phase. „Vor allem ein gutes Miteinander von zentralen Impfzentren und Hausärzten ist notwendig, um reibungslos große Mengen verimpfen zu können und den Weg dahin zu erleichtern“, teilte der Dachverband mit. Unter anderem schlagen Gemeinde- und Städtetag für den Gipfel vor, Impfzentren über Juni hinaus parallel zur ärztlichen Struktur zu betreiben.

Kommt der Gipfel nach einem Jahr Corona nicht ein bisschen spät?

Keineswegs, sagen die meisten befragten Teilnehmer. „Die Impfkampagne kommt doch gerade erst einmal so richtig in Fahrt“, meint zum Beispiel KVBW-Sprecherin Middeldorff. Es werde aber wahrscheinlich nötig, sich häufiger in ähnlicher Runde auszutauschen. Allerdings werden die großen Streitfragen wie die Impfberechtigung nach Ansicht des Städtetags auf Bundesebene entschieden. „Auf Landesebene kann man nur den Mangel verwalten, solange er anhält“, sagte eine Sprecherin.

Aus der Opposition kam bereits Kritik, Lucha wolle von Versäumnissen zum Beispiel bei Senioren ablenken. Es warteten noch zu viele Menschen aus den höchsten Prioritätsstufen auf ihren Impftermin. „Dass es hier immer noch nicht schnell genug voran geht, übersieht der Minister fast schon leidenschaftlich gerne und wendet sich lieber den Aufgaben zu, die auch ohne ihn gelöst werden“, sagte der Gesundheitsexperte der SPD-Landtagsfraktion, Rainer Hinderer. Hausärzte wiederum fürchten, dass Impfchaos in ihre Praxen verlagert wird.

Lesen Sie hier mehr: Minister Lucha im Interview zum „Impfgipfel“

Corona-Impfstoff kommt auch weiterhin nur stockend nach Baden-Württemberg. Im April wird der Südwesten pro Woche rund 300 000 Dosen Corona-Impfstoff erhalten, wie ein Sprecher des Landesgesundheitsministeriums mitteilt. Dabei könnten die Ärzte in den Impfzentren täglich 80 000 Impfungen verabreichen. In den Praxen der niedergelassenen Ärzte könnten laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg ebenfalls bis zu 80 000 Impfungen am Tag gespritzt werden.

Und wie viel wird tatsächlich geimpft?

Hier zeigt sich das Missverhältnis aus Impfkapazitäten und vorhandenem Impfstoff. Tatsächlich landen in den Impfzentren derzeit täglich zwischen 40 000 und 45 000 Impfungen in den Armen der Baden-Württemberger. In den Praxen habe es in der ersten Woche nach dem dortigen Impfstart bis einschließlich Dienstag dieser Woche rund 161 000 Impfungen gegeben. Dies entspricht rund 23 000 Impfungen am Tag.

Wie sieht es im Mai und Juni aus?

Es ist derzeit unklar, welchen Umfang die Impflieferungen ab Mai haben werden. Das Ministerium rechnet damit, dass die Impfungen „deutlich an Fahrt aufnehmen“. Man hoffe, dass die Prognosen zuträfen und man noch deutlich mehr Impfstoff erhalten werde, so dass die Impfzentren und niedergelassenen Praxen endlich unter Volllast impfen könnten, sagte ein Ministeriumssprecher und ergänzte: „Die Infrastruktur dafür ist im Land ohne Zweifel vorhanden.“ Die Kassenärzte halten es sogar für möglich, dass die Menschen im Südwesten bis Ende August gegen das Coronavirus geimpft sind. Es müsse aber ausreichend Impfstoff geben und „der Hauptteil der Praxen“ impfen.