Timothée Chalamet als Thronfolger Paul Atreides, Charlotte Rampling als Magierin Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam Foto: imago//Chiabella James

Der Regisseur Denis Villeneuve hat aus dem versponnenen Zukunftsroman „Dune“ spektakuläres Science-Fiction-Kino gemacht.

Stuttgart - Nicht nur David Lynch ist gescheitert bei dem Versuch, den komplexen Zukunftsentwurf in Frank Herberts Roman „Dune – Der Wüstenplanet“ von 1965 zu verfilmen. Er erzählt von einer Feudalgesellschaft in hochgerüsteter Konkurrenz im All. Das Imperium beutet den Wüstenplaneten Dune aus, weil im dortigen Sand die Droge „Spice“ steckt, ohne die Menschen Raumschiffe nicht navigieren können. Komplexe Beziehungen, ein geheimnisvoller Hexenzirkel namens Bene Gesserit, ein männlicher Auserwählter, wehrhafte, unterjochte Ureinwohner namens Fremen – viel Erklärstoff.

Den hat nun Denis Villeneuve („Blade Runner 2049“) in den Griff bekommen: Auch in seiner epischen Verfilmung wirkt die Geschichte versponnen, aber alles fügt sich schrittweise stringent ineinander. Er bleibt eng an Paul (Timothée Chalamet), dem Thronfolger des Fürstenhauses Atreides. Ihn plagen rätselhafte Traumvisionen von Arrakis – weil seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson, „Mission: Impossible“) eine Bene Gesserit ist, schlummert auch in ihm eine noch nicht ausgereifte magische Ader.

Eine starke Besetzung trägt den Krieg aus

Lange haben die Menschenschinder aus dem Haus Harkonnen Dune ausgebeutet, nun entzieht ihnen der Imperator dieses Recht, überträgt es an Pauls Vater – das kann das ritterliche Haus Atreides unmöglich ablehnen, auch wenn das Krieg bedeutet. Der Film wird von einer unerhört starken Besetzung getragen. Oscar Isaac („Ex Machina“) verströmt als Fürst natürliche Autorität, Josh Brolin („Sicario“) spielt ein abgeklärtes altes Schlachtross, Jason Momoa („Game of Thrones“) einen Elitesoldaten von blütenreiner Ehrenhaftigkeit. Stellan Skarsgard („Fluch der Karibik“) verkörpert den siechen, erbarmungslosen Gegenspieler, Dave Bautista („Guardians of the Galaxy“) dessen skrupellosen Schergen. Javier Bardem („Skyfall“) gibt einen Anführer der unterdrückten Fremen, der nur spöttische Verachtung übrig hat für die Ränkespiele der Invasoren.

Sie alle kreisen um Timothée Chalamet, der als schmaler Jüngling über sich hinauswachsen muss und das auch tut: Zuerst zeugt ein entschlossener Blick davon, dass in Paul wirklich Messias-Potenzial schlummern könnte, und in existenzieller Not offenbart er Anführer-Qualitäten. Den Anstoß für Pauls Erwachen gibt eine Schmerzprüfung. Die führt die Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam durch, eine Art Hohepriesterin der Bene Gesserit, und Charlotte Rampling („Red Sparrow“) macht aus ihr eine besonders unangenehme Magierin ohne Loyalitäten. Pauls Mutter Jessica hat die Prüfung angefordert und leidet mit ihrem Sohn – Rebecca Ferguson ist gefangen im inneren Ringen ihrer ambivalenten Figur.

Ein Zukunftsuniversum jenseits von „Star Wars“ und „Star Trek“

In Monumentalfilm-Ästhetik hat Villeneuve ein bildmächtiges Zukunftsuniversum jenseits von „Star Wars“ und „Star Trek“ erschaffen, wie man es nicht oft zu sehen bekommt. Riesige Raumschiffe setzen die Zehen ihrer metallenen Füße auf Steinquader-Flächen, libellenartige Fluggeräte schwirren umher, antik anmutende Krieger marschieren mit Hightech-Rüstungen auf, Aberglaube und schwarze Magie nehmen in schwarz verschleierten Frauen Gestalt an. Die fremdartig anmutenden Fremen, deren Augen das Spice strahlend blau macht, überleben in der Wüste nur dank überlieferter Strategien – und einmal blicken die Zuschauer direkt in den kreisförmig mit Zähnen besetzten Schlund eines gigantischen Sandmonsters.

Natürlich hilft es Villeneuve, dass komplexe Serien wie „Breaking Bad“, „Game of Thrones“ und „The Expanse“ das Publikum auf nie dagewesene Weise geschult haben – ausgerechnet David Lynch hat dafür 1990 mit seiner Mystery-Serie „Twin Peaks“ den Grundstein gelegt. Die bösen Intrigen, das mörderische Schlachten und Auslöschen ganzer Dynastien mit Klingen und Drohnen, die schwarze Magie, all das erinnert an „Game of Thrones“, obwohl es ja eigentlich andersherum ist: Der erste Teil von George R. R. Martins zugrunde liegender „Eis und Feuer“-Romanreihe erschien erst 1996, gut 30 Jahre nach Herberts erstem Buch.

Die Wüste ist das Ergebnis einer Klimakatastrophe

Was beide unterscheidet, ist der Gegenwartsbezug, „Dune“ geht über menschliche Bosheit weit hinaus: Villeneuve zeigt das Wüten von Kolonialmächten, die Mühen oft vergeblicher Diplomatie, die zerstörerische Logik des Krieges, aus der Not geborene feministische Strategien und eine Klimakatastrophe: Arrakis könnte ein fruchtbarer Planet sein, doch nur im Wüstensand gedeiht die Droge. Alles schreit nach Revolution – und das ist der Cliffhanger.

Villeneuve hat erklärt, der Stoff sei zu komplex, um mehr als die erste Hälfte in einem Film zu erzählen. Das Studio Warner Bros. aber hat die Mittel für eine Fortsetzung bislang nicht bewilligt. Es wäre ein Jammer, wenn es dazu nicht käme – denn dann dürfte das Publikum nicht erleben, wie Zendaya („Euphoria“) als trotzige junge Fremen-Kämpferin Chani dem frisch zum Helden gereiften Paul hilft, die Welt zu retten.

„Dune“, USA 2021. Regie: Denis Villeneuve. Mit Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson. 156 Minuten. Ab 12.

Die „Dune“-Historie

Roman
 Frank Herberts „Dune“ erschien 1965, bis 1985 schrieb er fünf Fortsetzungen.

Filme
 Der Regisseur Alejandro Jodorowsky scheiterte in den 70ern nach dreijähriger Entwicklung. David Lynchs Hollywood-Film (1984) floppte. Er hatte nicht den „final cut“ und klagte später, das Studio habe den Film zusammengeschnitten und dabei seine künstlerische Vision zerstört. 2000 erschien beim US-Kabelsender Sci-Fi Channel eine Miniserie, die 2003 fortgesetzt wurde.