Eine Ausstellung mit Kunst aus Böblingens Partnerstädten zeigt nackte Tatsachen in der Wandelhalle. Foto: Schaich

„Da hängt eine nackte Frau in der Wandelhalle.“ Der erzürnte Anruf eines Lesers dieser Zeitung lieferte die Inspiration zu diesem Beitrag für unsere wöchentliche Humorkolumne („Bonbons“).

Allen Unkenrufen und Untergangspropheten zum Trotz: Die Tageszeitung ist noch immer ganz vorne mit dabei, wenn es um verlässliche Informationen und Unterstützung in allen Lebenslagen geht.

Beispiel gefällig? Nun, zum Beispiel genügt manchmal schon eine Facebook-Nachricht mit der ebenso knappen wie eloquenten Frage „Was’n los? Tatütata!“ – und schon läuft bei uns die Recherche-Maschine auf Hochtouren. Gut, im eben genannten Beispiel wären vielleicht ein paar weitere Infos wie eine Uhrzeit oder ein Ort ganz hilfreich gewesen, aber man ist ja schließlich Profi, nicht wahr? Als Profis sind wir auch bestens dafür geschult, wenn ein entrüsteter Leser bei uns anruft, um sich über eine nackte Frau zu beschweren, die in der Böblinger Wandelhalle herumhängt.

„Da hängt eine nackte Frau in der Wandelhalle!“

Klingt komisch, aber genau darum ging es bei einem Telefonat, das Redaktionsassistentin Yvonne Perlich vor Kurzem annahm. Der vermutlich nicht mehr ganz so junge Herr fragte die Kollegin dreimal nach ihrem Namen, verstand ihn aber offenbar nie. Nach einem unwirschen „Ist ja auch egal“ griff er deshalb auf die Anrede „Fräulein“ zurück. Profi, der sie ist, ließ sich „Fräulein Perlich“, die übrigens Mutter eines erwachsenen Sohns ist, den Fall in aller Gemütsruhe schildern.

Wie sie herausfand, ging es dem Anrufer um einen großformatigen Fotodruck, der dort in dem offenen Säulengang am Oberen See hängt. Das Banner zeigt eine Frau, die bis auf ein paar Pömps und eine Augenbinde keinerlei Kleidung am Leib trägt. So viel weibliche Nacktheit empörte den Herrn offenbar so sehr, dass er auf dem Rathaus anrief und – weil er dort nicht weiterkam – danach bei der Zeitung Alarm schlug.

Nacktfoto ist Teil einer Ausstellung

Der Kollegin gelang es mit Geduld und Charme, das erhitzte Gemüt des Anrufers ein wenig herunterzukühlen. Seinem Wunsch, das schändliche Bild sofort zu entfernen, konnte die Zeitung am Ende zwar nicht nachkommen. Aber immerhin können wir die Frage klären, warum die nackte Frau da in der Wandelhalle hängt: Es handelt sich nämlich um ein Kunstwerk, das im Rahmen der aktuellen Ausstellung „United In Peace“ dort platziert wurde. 14 Kunstschaffende aus Böblingens sieben Partnerstädten sind daran beteiligt. Das sind die nackten Tatsachen, die sich einer unserer Reporter selbstverständlich gleich nach dem Telefonat mit eigenen Augen ansehen musste. Man ist ja schließlich Profi.