Die Niederschlagsmenge bleibt in Deutschland weiterhin in etwa gleich. Mit dem Klimawandel ändert sich jedoch die Verteilung der Wassermenge. So kann es häufiger zu Hochwasser kommen. Das aktuelle Ausmaß ist nach Expertenangaben jedoch ungewöhnlich. Wichtige Fragen und Antworten zum aktuellen Hochwasser und den Ursachen.
Wo sonst Straßen verlaufen, fließen nun Flüsse. Wo Felder und Sportplätze liegen, sind nur noch braune Wasserflächen zu sehen. Die Hochwasser in Süddeutschland sind extrem. Klimaforscher erklären, wie es zu dieser – gar nicht so singulären – Katastrophe kommen konnte.
Waren die Niederschläge besonders heftig?
„Das ist schon besonders, aber nicht komplett außergewöhnlich“, sagt der Klimaexperte Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst (DWD). An 20 bis 30 Stationen in Süddeutschland habe der DWD so viel Regen gemessen, wie nur alle 50 oder alle 100 Jahre runterkommt. Man könne deswegen vor allem rund um Augsburg von Jahrhundert-Niederschlägen sprechen. Die Daten seien aber noch vorläufig.
Wieso regnet es so viel?
Das hängt mit einer besonderen Wetterlage zusammen, der sogenannten Vb-Wetterlage, gesprochen Fünf-B-Wetterlage. „Wenn sie auftritt, dann wird es meist heftig“, erklärt Kevin Sieck vom Climate Service Center Germany (Gerics) in Hamburg.
Es handelt sich dabei um ein Tief, das über dem Mittelmeer entsteht, und dann östlich um die Alpen herumgeführt wird. Es kann in der Folge in Ostdeutschland heftig regnen oder auch in Süddeutschland. „Diesmal hat der Nordwind des Tiefdruckgebiets seine Wolkenmassen gegen die Alpen gedrückt. Das hat die Niederschläge noch verstärkt“, betont der Gerics-Meteorologe.
Entstanden die Überschwemmungen rund um den Jahreswechsel auch so?
Nein, damals handelte es sich um Tiefs, die vom Atlantik über uns hinweggezogen sind. Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagt: „Damals kam ein Tief nach dem nächsten und führte zu Starkregen.“
Doch solche Vb-Wetterlagen wie derzeit seien auch für andere schlimme Hochwasser in Deutschland verantwortlich gewesen, erklären die Forscher. Sie erinnern an die Jahrhundertflut an der Elbe im Jahr 2002, die teuerste Naturkatastrophe in der deutschen Geschichte. Auch das schwere Hochwasser 2013 ging auf ähnliche Wetterlagen zurück.
Hat auch der Klimawandel mit den Überschwemmungen zu tun?
„Man kann das Einzelereignis schwer auf den Klimawandel beziehen“, unterstreicht PIK-Forscher Hattermann. Aber Fachleute etwa vom PIK oder von der World Weather Attribution meinen, dass extreme Regenfälle wegen des menschengemachten Klimawandels häufiger und intensiver geworden sind.
Das gilt insbesondere auch für Europa. Deswegen würden in der Folge Überschwemmungen wahrscheinlich häufiger und heftiger ausfallen. Andere Fachleute wie der DWD sind vorsichtiger. Bisher ergäben die Daten nur Tendenzen, aber sie seien noch nicht statistisch belastbar, erläutert DWD-Klimaexperte Deutschländer.
Was auf jeden Fall klar ist: Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kältere Luft. „Wo mehr Wasser reinpasst, kann auch mehr Wasser rausfallen. Das ist dann der Grund, warum wir auf das warme Wasser gucken“, sagt Deutschländer.
Eine um ein Grad wärme Luft kann sieben Prozent mehr Wasser aufnehmen, sodass die Wasserhaltefähigkeit der Atmosphäre mit dem globalen Klimawandel deutlich ansteigt. In der Adria, wo sich das Tiefdruckgebiet gebildet hat, ist das Mittelmeer derzeit etwa zwei Grad wärmer als normalerweise um diese Jahreszeit. „Diese warme, feuchte Luft ist dann zu uns gewandert“, erklärt Hydrologe Hattermann.
Müssen wir uns künftig auf stärkere Regenfälle einstellen?
Selbst der eher vorsichtige DWD-Experte meint: „Aufgrund der Tatsache, dass mehr Feuchtigkeit in die Wolken reinpasst, würde ich sagen: Wir sollten als Menschen davon ausgehen, dass es dazu kommt.“
Hattermann vom PIK betont, dass diese Regenfälle nicht gleichmäßig verteilt fallen. Es kommt darauf an, wie die weltweiten Winde die Niederschläge verteilen. In vielen Regionen komme es wegen des Klimawandels über längere Zeiträume auch zu stärkeren Dürren.
Wenn es nun regnet, dann oft intensiver. „Die Niederschläge, die wir insbesondere im Sommer sehen, sind häufiger Starkregen-Niederschläge“, erklärt der PIK-Forscher. Dann gebe es wieder längere Perioden ohne Niederschläge. „Weniger geworden dagegen sind die schönen Landregen, die die Natur so richtig durchatmen lassen.“
Nehmen Extremwetter-Ereignisse zu?
Hochwasser und Dürren werden in Deutschland nach Forscherangaben weiter zunehmen. „Viele Studien, auch eigene, zeigen, dass mit steigenden globalen Temperaturen auch die Anzahl und Intensität von Extremen wie Hochwasser in Deutschland ansteigen“, betont Hattermann . Dabei könnte die Realität die Modelle noch übertreffen. „Wir unterschätzen die Extreme noch, glaube ich, weil Klimamodelle nicht für solche Ereignisse angelegt sind, sondern vor allem zur Untersuchung von Klimasystemen und Änderungen im Klima.“
Regnet es mehr in Deutschland?
Das langjährige Mittel der Niederschläge in Deutschland hat sich kaum geändert. „Für Deutschland gibt es da keine starken Trends, aber die Variabilität der Niederschläge steigt“, erklärt Hattermann. Das heißt: Es gibt stärkere Regen, aber auch längere trockene Zeiten.
Das hat laut Hattermann zwei Gründe:
- Luft erwärmt sich: Durch den Klimawandel erwärmt sich die Luft, die dann mehr Wasser aufnehmen könne. „Die Wassermenge pro Kubikmeter Luft ist gestiegen.“ Das bedeutet zunächst längere Trockenphasen. Und wenn es mal regnet, dann fällt mehr Wasser auf die Erde.
- Stabilere Wetterlagen: „Wir haben stabilere Großwetterlagen über Europa.“ Das hänge mit dem Einfluss des Klimawandels auf den Jetstream zusammen, einer welligen Luftströmung in einigen Kilometern über der Erdoberfläche, wobei die einzelnen Zusammenhänge noch nicht exakt geklärt seien, so Hattermann. „Ein Hochdruckgebiet dreht sich dabei im Uhrzeigersinn und bringt trockene Luft vom eurasischen Raum nach Deutschland.“ Das führe zu wenig Niederschlag und Dürre.
Was hat der Jetstream mit dem aktuellen Wetter zu tun?
Beim aktuellen Hochwasser in Deutschland spielt laut Hattermann auch eine länger anhaltende Wetterlage eine Rolle, in der der Jetstream über Mitteleuropa und Deutschland liegt. „Mit dem Jetstream wurden wie auf einem Fließband die Tiefdruckgebiete zu uns transportiert.“
Der genaue Anteil des Klimawandels sei bei einem einzelnen Ereignis schwer zu benennen. Doch durch die höheren Temperaturen und die stärkere Verdunstung insbesondere über den Ozeanen, die auch durch die höheren Meeresoberflächentemperaturen getrieben werde, seien solche Extreme deutlich wahrscheinlicher.
Info: Wann spricht man von Dauerregen?
Abstufungen
Typischer Dauerregen in hiesigen Breiten betrifft meist ein größeres Gebiet. Die Meteorologen des DWD warnen vor Dauerregen in mehreren Stufen, wenn absehbar ist, dass bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Die höchste Stufe, Warnung Stufe 4, ist dann erreicht, wenn Regenmengen über 70 Liter pro Quadratmeter in 12 Stunden oder über 80 Liter je Quadratmeter in 24 Stunden oder über 90 Liter pro Quadratmeter binnen 48 Stunden zu erwarten sind.
Dauerregen
Bei Dauerregen handelt es sich nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) um ein „länger andauerndes Niederschlagsereignis mit überwiegend gleichmäßigen Regenraten“ im unteren einstelligen Bereich pro Stunde – also mit Raten von bis zu 5 Liter pro Quadratmeter.
Starkregen
Von Starkregen spricht man laut DWD bei großen Niederschlagsmengen binnen kurzer Zeit in einem kleineren Gebiet. Das wesentliche Merkmal dafür ist „die hohe Niederschlagsintensität“ – bei Starkregen fallen mehr als 5 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit.
Sprühregen
Diese Regenart bildet sich durch feine, in Wasserwolken schwebende Tröpfchen, die auf 0,5 Millimeter Durchmesser anwachsen. Dadurch werden sie für den Schwebevorgang zu schwer und nieseln gleichförmig und dicht zur Erde.
Landregen
Dieser entsteht, wenn wärmere Luft über kältere aufgleitet. Dieser gleichmäßige Dauerniederschlag hält sechs Stunden oder länger an. Der Tropfendurchmesser beträgt ein bis drei Millimeter.
Platzregen
Er wird oft von Gewittern begleitet. Der auch Wolkenbruch genannte plötzlich einsetzende, heftige Niederschlag mit großen Tropfen hält meist nur kurz an. Der umgangssprachliche Ausdruck Platzregen beschreibt das Geräusch der Tropfen beim Aufschlagen auf den Boden.
Starkregen
Bei Starkregen fallen pro Stunde je Quadratmeter mindestens 10 Millimeter Niederschlag oder mindestens 20 Millimeter in sechs Stunden. Die großen Wassermassen verursachen schnell Überschwemmungen und tragen häufig zur Bodenerosion bei.
Regenschauer
Sie entstehen durch starke vertikale Luftbewegungen. Die meist starken Niederschläge, die oft auch in ihrer Intensität schwanken, halten weniger als eine Stunde an und sind auf ein kleines Gebiet von höchstens zehn Quadratkilometer begrenzt.