Protest vor dem Amtsgericht in Heilbronn. Foto: dpa/David Nau

Das Heilbronner Amtsgericht hat im März erstmals Aktivisten der Letzten Generation zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Nun fiel die Strafe noch deutlicher aus.

Der Eklat kam nach acht Stunden nahezu ununterbrochener Verhandlung. Die Angeklagten in Heilbronn sollten ihr letztes Wort nutzen, so wie in jedem Gerichtsprozess. Meistens wird das nicht genutzt, meistens schließt man sich den Verteidigern an. Nicht so in Saal 148 des Heilbronner Amtsgerichtes. Da gab es erst sehr ausführliche Stellungnahmen zum Klimawandel, bevor die vier angeklagten Klimakleber ein Lied anstimmten. „Have you been in jail for justice?“, heißt das, „warst Du für Gerechtigkeit im Gefängnis?“Die Richterin ließ den Saal erst einmal räumen. Vier Angeklagte ahnten, was auf sie zukommen wird.

Kippende Stimme und Tränen der Wut

Die Entscheidung dann eine Stunde später: Vier Haftstrafen zwischen drei und fünf Monaten, drei davon ohne Bewährung. Auf das Gericht hatte der Auftritt im Saal wenig Eindruck gemacht. Mit kippender Stimme und Tränen der Wut hatte einer der Angeklagten erklärt, dass er später einmal sagen wolle: „Ich bin für die Gerechtigkeit aufgestanden, als es kein anderer tat“. Im Saal gab es Applaus der anwesenden Sympathisanten, und die Mahnung der Richterin, die Beifallsbekundenden aus dem Raum zu werfen, sollte dies mehrmals geschehen. Stunden später war es dann so weit.

Erstmals Haftstrafe für den Protest

Nun ist das Heilbronner Amtsgericht fürwahr kein Ort, an dem sich die Mitglieder der Protestbewegung gerne für ihre Taten verantworten. Und Julia Schmitt ist nicht die Richterin, auf die die Aktivisten gerne treffen. Am 6. März war hier bundesweit zum ersten Mal eine Haftstrafe ohne Bewährung gegen zwei Mitglieder der Protestbewegung verhängt worden, einmal zwei und einmal drei Monate. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Und weil die frisch Verurteilten sofort nach dem Schuldspruch wieder loszogen, um sich erneut auf eine viel befahrene Straße zu setzen, sah man sich nun wieder vor Gericht. Und wieder vor der selben Richterin.

Befangenheitsantrag gegen die Richterin

Das beschleunigte Verfahren, nach dessen Grundsätzen in Heilbronn verhandelt wurde, beschleunigte diese Tatsache nicht gerade. Absehbar der Antrag auf Befangenheit, absehbar dessen Ablehnung. Und auch der ein oder andere anwaltliche Nebenkriegsschauplatz aus dem Bereich des Prozessrechtes war nicht gerade dazu angetan, die Sache zügig einem Ende zuzuführen. Apropos Bühne: Während im Gerichtssaal Zeugen vernommen wurden und die vier Angeklagten erklärten, welch hehrer Hintergrund ihr Protest hat, standen andere Aktivisten vor dem Amtsgerichtsgebäude um selbiges via Mikrofon kund zu tun.

Es könne doch nicht sein, dass Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzten in Haft müssen, so die Demonstranten vor dem Gericht. „Die Motivation von uns spielt eine Rolle, auch wenn Ihnen das nicht passt“, so einer der Angeklagten gegenüber der Richterin. Die interessierte sich mehr für die Länge des konkreten Staus, die Details des polizeilichen Einsatzes und die Frage, wer bei dem Protest wo gesessen hat. Und die Anklage gab zu Protokoll: „Eine schnellere Rückfallgeschwindigkeit kann es ja gar nicht geben“. Dass die Richterin und der Großteil der Verurteilten gerade dabei sind, eine langfristige Beziehung aufzubauen, steht außer Frage.

Verurteilte wollen weiter machen

Und das, obwohl auch Julia Schmitt in ihrer Urteilsbegründung zugeben musste: „Das Strafrecht kommt hier an seine Grenzen“. Drei der in Heilbronn Verurteilten sind sich sicher, mit ihren verkehrsbehindernden Protesten so lange weiter zu machen, bis die Regierung ausreichend Maßnahmen einleiten werde, die Klimakatastrophe zu stoppen. Einer gab an, der Organisation inzwischen den Rücken gekehrt zu haben. Nicht, weil die Ziele nicht die richtigen seien, sondern weil eine „erdrückende Erkenntnis“ in ihm gereift sei. Das alles bringe nichts, „meine Mitmenschen wollen keinen Klimaschutz, nicht wirklich“.