Kultusministerin Theresa Schopper hatte für den Etat 2022 allein 254 neue Stellen für Lehrkräfte beantragt. (Archivbild) Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag kommt das Kapitel über Bildung erst auf Seite 59. Seitdem hegen Opposition und Lehrerverbände den Verdacht, dass Kinder bei der Koalition nicht ganz vorne stehen. Der Haushalt für das nächste Jahr untermauere das.

Stuttgart - Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper ist bei den Haushaltsverhandlungen der grün-schwarzen Koalition mit ihren Wünschen für Hunderte weitere Stellen abgeblitzt. Das geht aus einer Liste der Haushaltskommission mit den abgelehnten Vorschlägen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart vorliegt.

So hatte die Grünen-Politikerin für den Etat 2022 allein 254 neue Stellen für Lehrkräfte beantragt, um die absehbare Zunahme von Schülerinnen und Schülern abzufedern. Der Wunsch wurde - wie jetzt erst bekannt wurde - Mitte September ebenso abgelehnt wie 105 zusätzliche Stellen für die Reserve der Krankheitsvertretungen. Die SPD und die Lehrergewerkschaft GEW kritisierten unmittelbar vor Beginn der Etatberatungen im Landtag am Mittwoch, Bildungspolitik habe bei Grün-Schwarz keine Vorfahrt.

Kein Geld für Hilfs-Lehrkräfte in Sommerferien

Wegen der Folgen der Corona-Pandemie für den Haushalt gab es diesmal nur einen vergleichsweise geringen Spielraum für Investitionen. Das bekam auch Schopper zu spüren, die im Etat für das nächste Jahr 212 neue Stellen bewilligt bekam. Das Ministerium bestätigte zudem, dass es nun doch kein Geld gebe, um die angestellten Hilfs-Lehrkräfte über die Sommerferien zu bezahlen. „Nein, diese Mittel wurden nicht bewilligt“, sagte ein Sprecher. Und obwohl das Land sich im September verpflichtet hat, den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Grundschulen massiv voranzubringen, lehnte die Haushaltskommission 27 Neustellen für die notwendige Schulaufsicht für diesen Bereich ab.

SPD und GEW sehen Versprechen aus Koalitionsvertrag gebrochen

SPD-Chef und Ex-Kultusminister Andreas Stoch sagte der dpa: „Grün-Schwarz hat den Ernst der Lage an den Schulen offensichtlich überhaupt nicht erkannt.“ Die Bildungspolitik habe bei dieser Landesregierung keine Priorität. Und: „Die Kultusministerin ist nicht in der Lage, die Interessen unserer Kinder durchzusetzen.“ Erneut werde das Versprechen nicht eingelöst, Tausende Lehrerinnen und Lehrer auch über die Sommerferien zu bezahlen. „Damit bricht die Landesregierung ein wichtiges Versprechen des grün-schwarzen Koalitionsvertrages.“ Allerdings steht der Vertrag noch immer unter Finanzierungsvorbehalt.

GEW-Landeschefin Monika Stein hält es für unhaltbar, dass die Hilfskräfte über die Sommerferien kein Geld bekommen sollen. „Das wird das bisher gute Ansehen von Kultusministerin Theresa Schopper und der grünen Bildungspolitik stark beschädigen. Es gab nur wenige konkrete Zusagen nach dem Start der ersten grünen Kultusministerin.“ Wenn sie nicht einmal dieses Versprechen einlöse, werde sie sich im nächsten Sommer „auf viele Proteste arbeitsloser Lehrkräfte einstellen müssen“.

Schopper will bei neuen Etatgesprächen vorstellig werden

Das Kultusministerium kündigte an, bei den weiteren Etatberatungen nach der Steuerschätzung Mitte November die 254 Stellen für Lehrkräfte erneut anmelden zu wollen. „Auch die Durchzahlung der Sommerferien bei Lehrkräften mit einem befristeten Vertrag ist ein wichtiges politisches Ziel, welches das Kultusministerium umsetzen möchte“, sagte ein Sprecher. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte angekündigt, nach der Steuerschätzung könne es womöglich nochmal Spielräume für Investitionen geben.

Ein Sprecher von Schopper erklärte, infolge höherer Schülerzahlen sei es möglich, dass die Vertretungsreserve im Vergleich zum Vorjahr „verstärkt gleich zu Schuljahresbeginn zur Sicherung des Pflichtunterrichts eingesetzt werden“ müsse. Dazu sagte SPD-Chef Stoch: „Wieder einmal will das Kultusministerium die Krankheitsvertretungsreserve, die ja eigentlich als Sicherheitspuffer vorhanden ist, schon zu Beginn des Schuljahres für den Pflichtunterricht einsetzen.“

Bisher bewilligte Stellen nur ein „Nasenwasser“?

Bisher hat Schopper 160 Stellen zur Entlastung von Schulleitungen bewilligt bekommen - das kostet im Etat 2022 knapp 4,5 Millionen Euro. 25 Stellen wurden genehmigt für den letzten Ausbauschritt der Inklusion. Stoch sagte: „Im Bereich der inklusiven Bildung hat die Landesregierung ganz offenbar keinerlei Ahnung, wie die Realität an Schulen aussieht.“ Die GEW ergänzte, mit den Stellen sei man sehr weit entfernt vom Versprechen im Koalitionsvertrag, was die Doppelbesetzung bei inklusiven Unterricht angehe. Hinzu kommen noch 10 Stellen für den Islamischen Religionsunterricht, 11 Stellen für Pflegeschulen und 6,5 Stellen für den Ausbau der praxisintegrierten Erzieherausbildung. Stein sprach von einem „Nasenwasser“. Fast an allen Fachschulen fehlten Lehrkräfte, die Erzieherinnen ausbilden können.