In den Schulneubau im Stockbrünnele werden im kommenden Jahr 20 Millionen Euro investiert. Foto: BFK Architekten

Der Haushalt 2023 schreibt rote Zahlen. Die Stadt möchte dennoch am ambitionierten Ausgabenprogramm festhalten. Sprudelt die Gewerbesteuer, wie erwartet?

Krieg in Europa, Corona, Geflüchtete, Inflation und eine Menschheit, die ihre Lebensgrundlage langsam verheizt: Die Krisen auf dieser Welt reihen sich aneinander. Keine gute Zeit, um eine Stadt ohne Risiko erfolgreich in die Zukunft zu führen. Böblingen versucht es dennoch. „Dranbleiben – für eine zukunftsresiliente und lebenswerte Stadt“ – unter dieser Überschrift hat Oberbürgermeister Stefan Belz jetzt im Gemeinderat vorgestellt, wie das kommende Jahr gestaltet werden soll.

Stefan Belz sprach in seiner Haushaltsrede von einer „Ausnahmezeit“ und einem Veränderungsmodus, wie er von der Gesellschaft bisher nie zu bewältigen war. Von Resignation möchte der Stadtchef aber nichts wissen: „Es ist nicht an der Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken und nur noch das Notwendigste zu tun“, erklärte er. Auch in stürmischen Zeiten wolle man sich der Verantwortung für die Bürgerschaft stellen. Konkret bedeutet dies: Trotz unsicherer Lage und ungewisser Entwicklungen wird Böblingen im nächsten Jahr viel Geld für Bauinvestitionen, neue Personalstellen und laufende Kosten ausgeben – obwohl am Ende des Jahres rote Zahlen stehen werden.

Viel Geld fließt in Bauprojekte, Personalstellen und laufende Kosten

222 Millionen Euro wird der Betrieb dieser Stadt im Jahr 2023 kosten. 45 Prozent davon verschlingen die Personal- und Sachkosten. Weitere 30 Prozent der Ausgaben fließen für Umlagezahlungen an den Kreis, das Land und den Bund ab. Auf der Einnahmeseite wird Kämmerer Sascha Schneider indes nur 204 Millionen Euro erwirtschaften. Bleibt ein Defizit von knapp 18 Millionen Euro. Das Ziel einer jeden Kommune, schwarze Zahlen zu schreiben, wird somit deutlich verfehlt. Statt Einnahmen zu erzielen, mit denen Investitionen finanziert können, muss der Kämmerer tief in den Sparstrumpf greifen, um das Finanzloch zu stopfen. Noch sei der Sparstrumpf der Stadt gut gefüllt, betonte Finanzbürgermeister Tobias Heizmann bei der Präsentation des Etats, mahne aber auch, dass das Wort „sparen“ ins Haushaltsbuch geschrieben werden müsse.

Die Krisen fordern hohe Ausgaben

Stefan Belz führt die hohen Ausgaben vor allem „auf die großen Krisen“ zurück. Da ist die Corona-Pandemie, die vor allem den städtischen Töchtern Mineraltherme und CCBS noch schwer zu schaffen macht, da ist die Energiekrise, die im kommenden Jahr 4,6 Millionen Euro Mehrausgaben zur Folge hat, da sind die Geflüchteten, deren Unterbringung eine halbe Million mehr und viel zusätzlichen Personalaufwand verursacht, und da sind Millionenausgaben für Ehrenamt und für die Vereinsförderung, die Stefan Belz als wichtigen Kitt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erachtet.

95 Millionen Gewerbesteuer werden von den Firmen erwartet

Gestützt wird all dies von einem Betrag, der auf dünnem Fundament fußt: den Gewerbesteuereinnahmen. 95 Millionen Euro erwartet die Verwaltung im kommenden Jahr von den Firmen. Ein gewaltiger Betrag, nahe an den Dimensionen der Rekordjahre. „Ein optimistischer Ansatz“, räumt Tobias Heizmann angesichts der schwierigen Wirtschaftsaussichten ein. Denn nur mit diesem Polster auf der Einnahmeseite ist gewährleistet, dass die vielen Investitionen möglich werden. Alleine 68 Millionen sind für Bauprojekte geplant – vom Schulneubau im Stockbrünnele über die Rathaus-Sanierung und Straßenbaumaßnahmen rund um die A 81 bis hin zum Kita-Bau.

Das Sorgenkind sind die Personalkosten

Und dann gibt es noch das „Sorgenkind“ des Oberbürgermeisters im Haushalt: 47 neue Stellen braucht die Verwaltung, um den gewachsenen Aufgaben in den Bereichen Wohngeldreform, Kita-Betreuung und öffentliche Sicherheit zu stemmen. Damit schnellen die Personalausgaben von 54 auf 58 Millionen im Jahr. Nur so könne die Verwaltung jedoch handlungsfähig und „an der Krise dran bleiben“, betonte Stefan Belz.

Ob für all das im kommenden Jahr der Sparstrumpf ausreicht, weiß man im Rathaus wohl erst im November. Dann telefoniert Kämmerer Sascha Schneider mit den großen Unternehmen der Stadt, um die aktuelle Lage zu sondieren. Und dann wird sich zeigen, ob die Gewerbesteuer auch wirklich so fließt, wie erhofft. Falls nicht, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die Ausgaben anpassen oder Schulden aufnehmen.