Der niederländische Spielgestalter Luc Steins (links) im Zweikampf mit dem Katarer Yassine Sami. Foto: dpa/Jan Woitas

Die Niederlande sind der nächste Gegner der deutschen Nationalmannschaft bei der Handball-WM – und sie haben mächtig aufgeholt, auch Dank ihres schwedischen Trainers Staffan Olsson.

Manchmal bedarf es einer drastischen Formulierung, um die Dinge auf den Punkt zu bringen: Das hat sich wohl auch die Band „Joint Venture” gedacht, als sie in einem ihrer Songs eine bezeichnende Textzeile musikalisch umsetzte: „Wenn es um Fußball geht, hass ich Holland wie die Pest“ .

Wenn vom Aufeinandertreffen der beiden Nationalmannschaften aus den Niederlanden und aus Deutschland die Rede ist, dann verursacht das bei den Fans beider Länder eine Gänsehaut. Zumindest, wenn es um Fußball geht. Kaum ein internationales Duell elektrisiert die Anhänger beider Lager so sehr wie die Begegnung zwischen Deutschland und Oranje.

Bislang waren die Niederländer nie auf Augenhöhe

Das hat mit der räumlichen Nähe der beiden Nationen zu tun, aber auch viel mit Tradition, weil zahlreiche hochbrisante Auseinandersetzungen fester Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses auf beiden Seiten der Grenze sind: Das Finale der WM 1974 in München, das Halbfinale der EM 1988 in Hamburg und natürlich das sagenumwobene Achtelfinale von Mailand bei der WM 1990 mit der Spuckattacke von Frank Rijkaard gegen Rudi Völler – das sind unvergessliche Begegnungen, die seit Generationen für ein ausgeprägtes Rivalitätsgefühl sorgen.

Spiele der deutschen Handballauswahl gegen das Team der Niederlande dürften dagegen nur hingebungsvollen Statistikern präsent sein. Im Gegensatz zu den Kickern verursachen die Partien zwischen den Ballwerfern beider Nationen ein deutlich geringeres Grundrauschen. Das liegt zum einen daran, dass Handball an die alles überstrahlende Popularität des Volkssports Fußball wohl niemals heranreichen wird, ist jedoch auch dem Umstand geschuldet, dass die Niederlander den Deutschen auf dem Handballfeld bislang nie auf Augenhöhe begegnet sind.

Die niederländischen Frauen waren 2017 schon Weltmeister

Während sich Deutschland stets als Handballnation definierte und immer wieder mit Nachdruck auf die stärkste Liga der Welt verweist, steigen in den Niederlanden neben Fußballern höchstens noch Eisschnellläufer in den Rang eines Superstars auf. Doch die Handballer, die am heutigen Samstag (20.30 Uhr, live im ZDF) bei der WM in Polen und Schweden in Kattowitz auf die deutsche Nationalmannschaft treffen, holen langsam aber sicher auf. Bei den Frauen sind sie sogar schon ganz oben angekommen: 2017 durfte sich die 17-Millionen-Einwohner-Nation als Weltmeister feiern lassen. So weit sind die Männer noch längst nicht, aber der Abstand zu den Top-Nationen des Globus wird peu a peu verringert.

Mit dem Spielgestalter Luc Steins wissen die Niederländer sogar einen Mann ihren Reihen, der zum ersten Exportschlager des heimischen Handballs avancierte und seit Jahren bei Paris Saint Germain in der Champions League glänzt. Neben dem Superstar hat das Team auch noch acht Profis in seinem Kader, die ihr Geld in der Bundesliga verdienen.

Der frühere Weltklassespieler Olsson gibt seine Erfahrung weiter

Ein weiterer Beleg für die gewachsene Reputation des niederländischen Handballs ist der Umstand, dass es gelungen ist, den Schweden Staffan Olsson im August des vergangenen Jahres als Trainer zu verpflichten. Während seiner Karriere als Spieler gewann Olsson mit dem THW Kiel alles, was es im Handball zu gewinnen gibt. Nun reicht der 58-Jährige seine Expertise aus jahrelangen Auftritten auf Weltklasseniveau an die neue Mannschaft weiter, mit der er seit einem halben Jahr zusammenarbeitet.

Dass die Bäume bei allen lobenswerten Schritten in die richtige Richtung nicht in den Himmel wachsen, zeigte sich zu Beginn der Zwischenrunde beim mühsam erkämpften 31:30-Erfolg gegen den Außenseiter Katar. Die Niederländer verhinderten nur knapp eine Blamage und verbreiteten bei ihrem biederen Auftritt weder Angst noch Schrecken.

Der deusche Bundestrainer Gislason warnt vor dem Gegner

Die Rollen sind also wie gewohnt verteilt: Deutschland, das bei der WM bislang auf eine perfekte Ausbeute von vier Siegen in vier Spielen verweisen kann, geht als klarer Favorit in die Begegnung – auch wenn der Bundestrainer Alfred Gislason eindringlich vor dem Gegner warnt, der über eine „starke Mannschaft“ verfüge, die „extrem schnell agiere: „Da müssen wir uns mit unserer Defensive drauf einstellen, sonst wird das eine enge Kiste.“

Während sich der Isländer auf der deutschen Bank die richtigen taktischen Kniffe überlegt, um den Niederländern den Zahn zu ziehen, freut sich sein Kollege Staffan Olsson auf das Kräftemessen. Die Begegnung mit dem großen Nachbarn werde für ihn und seine Akteure zu einem „besonderen Spiel, weil sich ja alle aus der Bundesliga kennen“. Die Emotionen werden sich dabei im Rahmen halten. Olsson mag die aus dem Fußball bekannte Rivalität, die auch schon mal in Hass umschlagen kann, nicht auf den Handball übertragen. Als Schwede sei er bei diesem Thema sowieso außen vor – und überhaupt solle man „das ganze Thema generell nicht so hoch hängen“.