Bereits vor der Mitte des Jahrhunderts soll die Volkswirtschaft unterm Strich keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen. Foto: obs/OHB SE

Die Regierung präsentiert Eckpunkte des neuen Klimaschutzgesetzes und läuft sich für den Wahlkampf warm. Die Sticheleien zwischen Union und SPD nehmen zu – doch eint die beiden Noch-Koalitionspartner die Angst vor den Grünen.

Berlin - Knapp eine Woche nach dem wegweisenden Urteil des Verfassungsgerichts zu Klimaschutz und Generationengerechtigkeit ist der Weg für eine deutliche Verschärfung der Klimaziele frei. Das Bundeskabinett verständigte sich am Mittwoch im Grundsatz darauf, die Vorgaben für die kommenden Jahrzehnte nach oben anzupassen. Deutschland soll auch schon einige Jahre eher klimaneutral werden als bisher geplant. Das teilten Vizekanzler Olaf Scholz und Umweltministerin Svenja Schulze (beide SPD) in Berlin mit.

Bereits am kommenden Mittwoch soll das Kabinett den dazugehörigen Gesetzentwurf samt neuen Emissionsbudgets für die einzelnen Sektoren billigen. Der Text sei „so gut wie fertig“, sagte Schulze. Zusätzliche Klimaschutz-Maßnahmen wie etwa eine Erhöhung des CO2-Preises oder ein beschleunigter Ausbau der Ökostromkapazitäten sollen allerdings nicht beschlossen werden. Das wird dann der kommenden Bundesregierung obliegen.

„Ehrgeizig, aber machbar“

Konkret ist nun geplant, dass Deutschland seinen Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 drücken soll. Bisher gilt eine Zielmarke von 55 Prozent. Diese muss im Zuge einer Verschärfung der EU-Vorgaben aber ohnehin angehoben werden. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88 Prozent sinken, bislang gilt hier ein Ziel von 70 Prozent. Die Klimaneutralität wird jetzt für 2045 angepeilt statt für 2050. Das bedeutet, dass die Volkswirtschaft dann unterm Strich so gut wie keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen soll.

„Wir werden nächste Woche im Kabinett sein mit einem ehrgeizigen Klimaschutzgesetz, das allerdings machbar ist“, sagte Vizekanzler Scholz. Umweltministerin Schulze sprach von mehr Generationengerechtigkeit, mehr Planbarkeit und einem Vorgehen, das die Wirtschaft modernisiert und Jobs sichert.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am vergangenen Donnerstag das geltende Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Die Karlsruher Richter monierten, dass es keine konkreten Minderungsziele für die Zeit nach 2030 enthält. Weil ein Großteil der Klimaschutz-Bemühungen in die Zukunft verschoben werde, seien die zukünftigen Grundrechte junger Menschen verletzt.

Für die Überarbeitung des Gesetzes setzten die Richter dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2022. Nun nimmt sich aber bereits die scheidende Regierung des Themas an. Der Bundestag soll die Novelle noch vor der Sommerpause und damit vor den Bundestagswahlen vom 26. September beschließen.

Union und SPD stehen unter Druck, da die Grünen und ihre Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gerade einen Höhenflug in den Umfragen erleben. Sie befürchten, dass die Ökopartei mit ihrem Hauptthema Klimaschutz im bevorstehenden Wahlkampf noch stärker punkten könnte.

Noch viel Arbeit für Beamte

Das Klimaschutzgesetz enthält auch verbindliche Vorgaben zur Emissionsminderung für einzelne Sektoren wie Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft oder Industrie – und zwar bis 2030. Diese müssen jetzt ebenfalls erhöht werden. Schulze machte allerdings deutlich, dass dies nicht linear geschehen werde, sondern sich die Anhebung nach dem Machbaren richten werde. Im Gebäudesektor etwa könne man nicht so schnell umsteuern wie anderswo. Wie das neue Klimaziel für 2030 auf die einzelnen Sektoren heruntergebrochen wird, sollen Fachleute der Regierung in den kommenden Tagen ausarbeiten.

Die Reform des Klimaschutzgesetzes steht bereits ganz im Zeichen des Wahlkampfes. Das sieht man auch daran, dass Umweltministerin Schulze und SPD-Kanzlerkandidat Scholz gemeinsam die Details der Kabinettsabsprachen verkündeten – und zwar in Scholz‘ Finanzministerium. Die Sozialdemokraten werfen den Koalitionspartnern CDU und CSU vor, beim Klimaschutz bislang auf der Bremse gestanden zu haben.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ergriff am späten Nachmittag gesondert das Wort. Er sagte: „Es kommt jetzt darauf an, dass das Urteil schnell und umfassend umgesetzt wird.“ Natürlich müssten auch die Fraktionen im Parlament noch darüber beraten. Er sehe aber einen breite, parteiübergreifende Unterstützung für eine Reform.