Sinkende Gewinne bei Mercedes, Porsche und Co: Die Stadt rechnet mit einem Minus von 47 Prozent bei den Steuereinnahmen aus der Autoindustrie.
Die finanzielle Situation der Landeshauptstadt spitzt sich weiter zu, vor allem wegen der Probleme in der Autoindustrie. Stuttgarts Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) informierte jüngst den Verwaltungsausschuss, dass die Einnahmen aus Gewerbesteuern für 2025 wohl deutlich geringer sein werden als bisher angenommen.
Besonders drastisch sei der Rückgang bei den Unternehmen aus der Automobilindustrie, die traditionell am meisten Gewerbesteuern an die Stadt zahlen. Hier soll das Minus laut dem Finanzbürgermeister satte 47 Prozent betragen. Denn mittlerweile werden für 2025 aus dieser Branche Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 278 Millionen Euro erwartet, im Jahr zuvor waren es noch 523 Millionen Euro. Der Wert ist vorläufig, denn es sei zu Änderungen der Vorauszahlungen gekommen und auch bereits zu Rückzahlungen (mit Zinsen). Diese Rückzahlungen könnten noch steigen.
Gewinne von Mercedes und Porsche eingebrochen
Die Automobilindustrie steht vor enormen Herausforderungen. Die Transformation hin zur Elektromobilität erfordert massive Investitionen in neue Technologien und Produktionsprozesse. Gleichzeitig belasten die schwache Konjunktur, geringe Verkaufszahlen im so wichtigen chinesischen Markt und geopolitische Unsicherheiten die Unternehmen.
„Leider haben die großen Automobilhersteller und damit auch die großen Automobilzulieferer derzeit große Probleme“, sagt der Steuerexperte Oliver Sievering. Er ist Professor für öffentliche Finanzwirtschaft an der Verwaltungshochschule Ludwigsburg. Da die Gewinne im ersten Quartal 2025 etwa bei Mercedes-Benz um 43 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro und bei Porsche um 40 Prozent auf 760 Millionen Euro eingebrochen sind, treffe das die Automobilregion Stuttgart „besonders“.
Mercedes verkaufte im ersten Halbjahr 2025 weniger Autos
Mercedes verkaufte im ersten Quartal 529.200 Fahrzeuge. Das entspricht einem Rückgang von sieben Prozent im Vergleichszeitraum 2024. Und auch im zweiten Quartal verkaufte der Stuttgarter Autohersteller mit 547.100 Pkws und Vans im Vergleich zum Vorjahr neun Prozent weniger. Bei Porsche schrumpfte der Absatz um acht Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres. Zwischen Januar und März wurden 71.470 Autos verkauft.
Die Gewerbesteuer ist die wichtigste originäre Einnahmequelle der Gemeinden in Deutschland. Nach Angaben der Professoren Holger Kahle von der Universität Hohenheim und Oliver Sievering sei generell richtig: Wenn die Gewinne eines Unternehmens sinken, sinken auch die Steuereinnahmen der Stadt. „Da die Gewinne allgemein sehr stark schwanken, ist dies für Kämmerer immer recht schwer zu schätzen, wie hoch die Gewerbesteuereinnahmen im jeweiligen Jahr ausfallen“, sagt Sievering.
Porsche zahlte jahrelang auch Gewerbesteuer in Wolfsburg
Ein Porsche-Sprecher bekräftigt, dass die Höhe der Gewerbesteuer, abhängig von den Ergebnisbeiträgen des Unternehmens, „grundsätzlich Schwankungen unter anderem durch geopolitische und makroökonomische Rahmenbedingungen“ unterliegt. Dabei gab es auch eine Zeit, in der Porsche den größten Teil der Gewerbesteuer nicht an Stuttgart zahlen musste; nämlich als VW in Wolfsburg den Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen kaufte. Mit dem Börsengang der Porsche AG Ende September 2022 lief der Gewinn- und Verlustabführungsvertrag mit VW zum Jahresende aus. Seit 2023 profitiert Stuttgart wieder von Porsches Gewerbesteuereinnahmen.
Statt 1,2 Milliarden Euro rechnet Stuttgart nun mit 850 Millionen
Wie kommt Finanzbürgermeister Fuhrmann nun auf eine sehr viel geringere Summe als im Jahr zuvor? „Weiß man, wie hoch die Gewerbesteuer für einen Betrieb im letzten Jahr gewesen ist, wird diese als Grundlage für die Gewerbesteuervorauszahlungen im darauf folgenden Jahr genommen“, erklärt Sievering. Wenn ein Unternehmen jedoch glaubhaft darlegen könne, dass seine aktuelle Geschäftslage schlechter ist als im Vorjahr und dies zu geringeren Gewinnen führt, kann es eine Reduzierung der Vorauszahlungen beantragen, fügt Sievering hinzu. So werde vermieden, dass Unternehmen unnötig hohe Beträge vorstrecken müssen.
Umgekehrt gilt: Sollten die Vorauszahlungen am Ende des Jahres die tatsächliche Steuerschuld übersteigen, erstattet die Kommune dem Unternehmen den Differenzbetrag zurück. Dieses System ermöglicht es, die Gewerbesteuerzahlungen an die tatsächliche Wirtschaftslage anzupassen.
Aufgrund der eher düsteren Aussichten hatte Finanzbürgermeister Fuhrmann die ursprünglich geplanten 1,2 Milliarden Euro Gewerbesteuer pro Jahr im Doppelhaushalt 2024/2025 zuerst auf eine Milliarde Euro im Nachtragshaushalt für 2025 und nun auf nur noch 850 Millionen Euro gesenkt.
Sowohl Porsche als auch Mercedes haben bereits verlauten lassen, dass 2025 herausfordernd werden wird. Aufgrund der aktuellen Unsicherheiten in der amerikanischen Zollpolitik sah sich Mercedes nicht in der Lage, überhaupt eine Prognose abzugeben. Porsche wiederum musste Ende April seine Jahresprognose drastisch senken. Und solange die Krise in der Automobilindustrie anhält, wird auch die Stadt das zu spüren bekommen.
Wie setzt sich die Gewerbesteuer zusammen?
Berechnung
Gewerbeertrag × Steuermesszahl (3,5 %) = Steuermessbetrag × Hebesatz der Gemeinde (Stuttgart: 420 %) = festzusetzende Gewerbesteuer; Einzelunternehmen und Personengesellschaften können von ihrem Gewinn einen Freibetrag von 24.500 Euro abziehen.
Geheimhaltung
In Deutschland sind Unternehmen grundsätzlich nicht verpflichtet, öffentlich offenzulegen, wie viele Steuern sie an Städte oder Gemeinden zahlen.