In München wird der Weihnachtsmarkt bereits aufgebaut – auch hier sind die Coronazahlen hoch. Foto: dpa/Sven Hoppe

Gesundheitsexperten schlagen angesicht der Corona-Höchstwerte Alarm und warnen davor, die epidemischen Lage auslaufen zu lassen. SPD-Politiker Karl Lauterbach hält Weihnachtsmärkte für „nicht durchführbar“.

Düsseldorf - Angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen fordern Gesundheitsexperten und Mediziner schärfere Schutzmaßnahmen und warnen vor einer Überlastung von Kliniken. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, forderte eine Verlängerung der epidemischen Lage. „Wir haben weiterhin eine Pandemie nationalen Ausmaßes. Es ist absurd, angesichts von Inzidenzen um die 300 von einer Aufhebung sprechen zu wollen“, sagte Montgomery der „Rheinischen Post“. Rechtlichen Bedenken bezüglich des Fortbestehens der Sonderlage widersprach er deutlich.

Montgomery warnte vor einem weiteren starken Anstieg der Todeszahlen. „Der Winter wird kalt. Es liegt an uns, dass er nicht auch noch bitter und tödlich wird.“ Noch könne es gelingen, den Trend der vierten Welle zu brechen. Montgomery forderte dazu, den Druck auf Ungeimpfte deutlich zu erhöhen. „Eine Impfpflicht überall dort, wo Menschen eine Garantenstellung gegenüber Schutzbefohlenen haben, also im Altenheim, im Krankenhaus oder in der Schule. Wer das nicht will, kann dort nicht arbeiten“, so Montgomery weiter.

„Wer sich nicht impfen lässt, spielt mit dem eigenen Leben“

Zudem plädierte er für eine Informationspflicht des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber bezüglich des Impfstatus. „Wie sollen Arbeitgeber Schichtpläne, Bürobesetzung und Schalterdienste regeln, wenn sie nicht einmal wissen dürfen, wer geimpft oder genesen und wer völlig ungeschützt in ihren Diensten steht?“, fragte er. „Wer sich nicht impfen lässt, spielt mit dem eigenen Leben - und dem vieler anderer.“ Mit Überredung sei nun ein halbes Jahr weitgehend erfolglos argumentiert worden; es müsse nun darüber nachgedacht werde, „welche Zwänge wir mit den Grundrechten vereinbar ausüben können.“

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält eine Überlastung der Krankenhäuser für kaum mehr abwendbar. „Bei den Fallzahlen, die wir jetzt haben, werden die Kliniken in den ersten beiden Dezemberwochen bundesweit die Kapazitätsgrenze überschreiten“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Damit die Maximalbelastung nicht zum flächendeckenden Kollaps führe, seien jetzt drastische Maßnahmen nötig: „Ungeimpfte sollten nur noch Zugang zu ihrem Arbeitsplatz, zu Lebensmittelgeschäften, Drogerien und Apotheken haben.“

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Der „Bild“-Zeitung sagte Lauterbach, auch Weihnachtsmärkte seien in der jetzigen Situation „nicht wirklich planbar und durchführbar. Da müssen wir ehrlich sein.“

Marburger Bund kritisiert Politik

Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, kritisierte politische Versäumnisse. Bereits Mitte Juli habe eine Wissenschaftlergruppe der Technischen Universität Berlin ein exponentielles Wachstum der Infektionen im Herbst vorhergesagt. Dieses Frühwarnsystem sei weitgehend ignoriert worden, sagte Johna der Düsseldorfer „Rheinischen Post“.

„Alle, die in dieser Zeit und im Spätsommer vor einer Verschärfung der Lage gewarnt haben, wurden nicht ernst genommen, Warnungen wurden als Panikmache abgetan. Nun komme es darauf an, möglichst stringent und zielgerichtet zu handeln, um Überlastungen der Krankenhäuser zu reduzieren. „Das Einzige, was jetzt zu schnellen Entlastungen führt, ist, planbare Eingriffe zurückzustellen, um zusätzliches Personal für die Unterstützung der Intensivstationen freizubekommen.“