Vielfach wird die Arbeitszeit schon elektronisch erfasst. Foto: dpa

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verärgert die Wirtschaft mit seinem Gesetzentwurf zur Arbeitszeit. Aus deren Sicht werden die Betriebe bei der Erfassung zu stark eingeschränkt.

Der Entwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein neues Arbeitszeitgesetz ist schon einige Tage auf den Markt, doch die Empörungswelle baut sich erst auf. Neben Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) üben auch Wirtschaftsverbände heftige Kritik – der Gewerkschaftsbund hält dagegen.

Nach dem unserer Zeitung vorliegenden Referentenentwurf ist „der Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen“. Die Nachweise müssen mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Der Arbeitgeber muss ein Verzeichnis der Arbeitnehmer führen, die in eine Arbeitszeitverlängerung eingewilligt haben.

Nichtelektronische Aufzeichnung ist möglich

Die Aufzeichnung könne durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten erfolgen – der Arbeitgeber bleibe für die ordnungsgemäße Handhabung verantwortlich. Verzichtet er auf die Kontrolle der vereinbarten Arbeits- und Ruhezeiten, muss er sicherstellen, dass ihm Gesetzesverstöße bekannt werden. Auf Wunsch des Beschäftigten muss der Arbeitgeber eine Kopie der Aufzeichnungen bereitstellen.

Zulässig ist auch eine kollektive Erfassung durch elektronische Schichtsysteme. Für Betriebe mit entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen lässt es der Gesetzesentwurf zu, dass die Aufzeichnung nichtelektronisch sowie spätestens nach einer Woche erfolgen kann. Zudem gilt die Pflicht zur Erfassung dort nicht für Beschäftigte, „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“.

Ausnahmen für die elektronische Erfassung gelten für Betriebe mit bis zu 250 Beschäftigten für längstens zwei Jahre, bei weniger als 50 Beschäftigten für fünf Jahre und bei bis zu zehn Beschäftigten generell. Eine schriftliche Aufzeichnung soll auch dauerhaft bei Hausangestellten möglich sein.

Das Arbeitsministerium begründet den Entwurf mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September vorigen Jahres, wonach die gesamte Arbeitszeit aufzuzeichnen ist. Das BAG wiederum hatte sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 bezogen. Die bisherige Regelung, wonach lediglich der Umfang der Arbeitszeit, der über acht Stunden hinausgeht, sowie die gesamte Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen aufzuzeichnen ist, genügt den Gerichten nicht.

Dem Arbeitsministerium zufolge bleibt das flexible Modell der Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich, wenn die Vorgaben zur täglichen Höchstarbeitszeit und zu den gesetzlichen Ruhezeiten beachtet werden.

„Vertrauensarbeitszeit würde de facto abgeschafft“

Trotz dieses Hinweises sieht Hoffmeister-Kraut den Schutz der Vertrauensarbeitszeit durch den Referentenentwurf „nicht ausreichend berücksichtigt“. Auch der Arbeitgeberdachverband Gesamtmetall lehnt den Entwurf „strikt“ ab, weil er eine „massive Ausweitung der geltenden Arbeitszeitaufzeichnungspflichten“ beinhalte. Insbesondere die Vertrauensarbeitszeit würde mit den Vorgaben „de facto abgeschafft“.

Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, fordert, dass die Betriebe „die Art und Weise der Aufzeichnung völlig frei wählen können“ – dies wäre europarechtskonform und vom Bundesarbeitsgericht „ausdrücklich bejaht“. Die zwingende Vorgabe einer elektronischen Form stößt auf Widerstand. Auch sollte die Pflicht, die Arbeitszeit täglich aufzuzeichnen, klar gelockert werden, mahnen die Arbeitgeber. Heils Ministerium greife „undifferenziert“ auf die Vorgaben für die „missbrauchsanfällige Fleischwirtschaft“ zurück.

Ruhezeit von elf Stunden ist Arbeitgebern ein Ärgernis

Barta appellierte zudem an die Bundesregierung, das Arbeitszeitrecht gleichzeitig „an die betrieblichen Realitäten einer modernen Arbeitswelt anzupassen“. So sehe die EU-Arbeitszeitrichtlinie eine Höchstgrenze nur für die wöchentliche Arbeitszeit vor – den Spielraum sollte der deutsche Gesetzgeber nutzen und die tägliche Obergrenze von zehn Stunden ersatzlos streichen. Auch die Pflicht einer täglichen ununterbrochenen Ruhezeit von elf Stunden sei hinfällig – „zumindest dort, wo die Beschäftigten die Lage ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen können, sollte davon in einem gewissen Umfang abgewichen werden können“. Mit diesen beiden Änderungen könnten Beschäftigte Beruf, Familie und Hobbys besser miteinander vereinbaren – die Betriebe könnten flexibler in der globalisierten Arbeitswelt agieren.

Kai Burmeister, Landesvorsitzender des Gewerkschaftsbundes, wendet ein: „Arbeitszeiten zu erfassen, geht heute einfach und unkompliziert.“ Ziel müsse sein, die Arbeitszeitsouveränität von Beschäftigten zu verbessern. „Rufe nach einer weiteren Entgrenzung und längeren täglichen Höchstarbeitszeiten sind kontraproduktiv“, mahnte er. Baden-Württemberg habe den Arbeits- und Gesundheitsschutz bisher „stiefmütterlich behandelt“, urteilte der Landeschef. „Verbesserungen an der Stelle sind dringend geboten.“