Zum Gendern gibt es an den Hochschulen im Südwesten bislang keine gemeinsame Linie. Das könnte sich ändern (Symbolbild). Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die immer sichtbarere Vielfalt der Geschlechter soll sich auch in der Sprache niederschlagen - das finden zumindest die Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen. Ihre Empfehlungen sollen die Institutionen auf einen einheitlichen Kurs bringen.

Konstanz/Mannheim - An den Hochschulen im Südwesten hält die geschlechtssensible Sprache Einzug. Bislang gibt es dafür keine gemeinsame Linie der Universitäten. Nach Auskunft der Landesrektorenkonferenz haben die neun Unis individuelle Lösungen. Aber das soll nun ein Ende haben. Die Gleichstellungsbeauftragten für alle Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Musikhochschulen wollen Empfehlungen formulieren, die im Herbst erscheinen werden.

„Wir wollen damit eine positive Haltung zur Förderung der Vielfalt verdeutlichen und alle Geschlechter integrieren“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Konstanz, Marion Woelki. Sie leitet die etwa 25-köpfige Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten, in der die Fachhochschulen nicht vertreten sind.

Geschlechtergerechtigkeit soll vorangebracht werden

Ihre Kollegin an der Universität Stuttgart, Manuela Schlummer-Held, sieht im Sprachgebrauch ein Instrument, die Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen. „Wir wollen alle Menschen sprachlich sichtbar machen“, sagt die Referentin für Gender Consulting und fügt hinzu: „Sprache beeinflusst das Denken.“ Das zeige sich etwa beim „generischen Maskulinum“ - wenn also Wörter wie „Bürger“ grammatisch männlich sind, aber Menschen jeden biologischen Geschlechts bezeichnen sollen. Kritiker halten es für unnötig, daran etwas zu ändern, denn Frauen seien mitgemeint.

Schlummer-Held verweist dagegen auf Studien, die zeigen: Werden Menschen nach drei berühmten Wissenschaftlern gefragt, nennen sie nur Männer. Wird nach prominenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefragt, fallen den Befragten auch Frauen ein. Diese Variante, sowohl die männliche als auch die weibliche Form vollständig auszusprechen oder auszuschreiben, fällt unter den Begriff „Beinennung“. Sie wird an der Universität Stuttgart gezielt angewandt, wenn vor allem Frauen angesprochen werden sollen.

Wer sich laut Woelki mehr am Gendern stört

Die Abkehr vom „generischen Maskulinum“ stößt eher bei Männern auf Unverständnis, hat Woelki beobachtet. Sie fänden die bisherige Ausdrucksweise praktischer und sähen die Ästhetik der Sprache verletzt. „Aber es gibt durchaus auch Frauen, die das nicht für wichtig halten“, sagt Woelki.

Die Hochschulen sollen sich in ihrer internen und externen Kommunikation an den Empfehlungen orientieren. Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die Studierenden sind die Vorschläge nicht verpflichtend. „Sie können sie umsetzen, müssen es aber nicht - wir würden uns aber sehr darüber freuen“, erläutert Woelki.

Kritik an einheitlicher Regelung

Der Chef des Leibniz-Instituts Für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, Henning Lobin, spricht sich gegen einheitliche Regelungen für Akademiker aus: „Es gibt sehr unterschiedliche Fächer, Textarten und Zielgruppen für wissenschaftlichen Publikationen.“ Hinzu komme, dass Verlage und die Herausgeber von wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelbänden zuweilen eigene Regeln für gendergerechte Sprache aufstellten. Auf absehbare Zeit werde es eine Vielfalt beim Gendern geben. „Auf diese sollten sich alle, die wissenschaftlich publizieren, mit einer gewissen Toleranz einstellen.“

Anders sei es an Schulen: Deren Leitungen bräuchten vom Kultusministerium Leitlinien. „Es sollte verhindert werden, dass sie in das Kreuzfeuer dieser sehr polarisiert geführten Debatte geraten.“ Lobin rechnet mit emotionalen Positionen der Eltern zum Gendern. Im Südwesten sollen die Schulen ihren Kurs selbst festlegen.

Landeskonferenz will Stellschrauben vorstellen

Die Landeskonferenz will in ihren Empfehlungen Stellschrauben für inklusive Sprache vorstellen: geschlechtsneutrale Formulierungen und typographische Sonderzeichen. Letztere kommen immer dann zum Einsatz, wenn eine geschlechtsneutrale Formulierung nicht möglich ist oder geschlechtliche Vielfalt explizit benannt werden soll. Optionen sind das Gendersternchen (Kolleg*in), der Doppelpunkt (Professor:innen) und der Unterstrich (Einwohner_innen). In der gesprochenen Sprache kann der Effekt durch eine Pause im Wort erzielt werden.

Bei den geschlechtsneutralen Formulierungen bietet sich ein weites Spektrum: Substantivierung von Partizipien oder Adjektiven (Studierende), Umschreibungen (statt Kunde Kundschaft), Passivformulierungen. Geschlechtsneutrale Bezeichnungen können das „generische Maskulinum“ umgehen: statt „alle Mitarbeiter können ihre Vorschläge einbringen“ eher „alle Beschäftigten können ihre Vorschläge einbringen“.

Eine Diskussion auch in anderen Ländern?

Im englischsprachigen Raum gibt es bedingt durch die Sprache keine solche Diskussion, in Spanien dagegen ist das Thema ebenfalls virulent. Da behilft man sich teils mit dem @-Zeichen, so dass etwa die Bezeichnung für Freund (novio) und Freundin (novia) in ein neutrales novi@ übergeht.