Die unechte Teilortswahl soll eine faire Repräsentation der Ortsteile garantieren. Trotzdem halten immer weniger Kommunen an dem komplizierten System fest. Foto: imago/osnapix

In der Keplerstadt stimmt das Verhältnis der Sitze nicht mehr: Für die Wahlen 2024 werden deshalb zwei Wahlbezirke zusammengelegt. Langfristig könnte es auch der unechten Teilortswahl an den Kragen gehen.

Sie liegt gute 100 Kilometer entfernt und hat mit Weil der Stadt eigentlich herzlich wenig zu tun – trotzdem hat die Stadt Tauberbischofsheim im Main-Tauber-Kreis gerade Auswirkungen auf die Keplerstadt. Der Grund: In Tauberbischofsheim musste jüngst der Gemeinderat neu gewählt werden. Eine Bürgerin hatte geklagt, weil sie ihren Ortsteil im neu gewählten Gremium für unterrepräsentiert hielt. Der Verwaltungsgerichtshof gab der Klage statt, unter anderem, weil Gründe für die Unterrepräsentation nicht ersichtlich waren.

Für Weil der Stadt wird diese Klage nun relevant, weil hier – wie in Tauberbischofsheim – noch die sogenannte unechte Teilortswahl durchgeführt wird. Als im Zuge der Gemeindereform Anfang der 1970er-Jahre Kommunen zusammengelegt wurden, fürchteten einige neue Teilorte um ihr Mitspracherecht in der Kommunalpolitik. Die unechte Teilortswahl, eine Sonderregelung im baden-württembergischen Wahlrecht, war deshalb vielerorts praktische Ausweichmöglichkeit.

VGH-Klage zwingt zum Handeln

Auch in Weil der Stadt: Hier wird die unechte Teilortswahl seit 1975 durchgeführt, jedem Teilort wird seitdem eine feste Anzahl an Sitzen garantiert. Die Kernstadt mit den meisten Einwohner bekommt damit neun Sitze, Hausen als kleinster Teilort nur einen. Seit Festlegung dieser Sitzverteilung hat sich aber einiges verändert in der Stadt, für die kommende Gemeinderatswahl im Jahr 2024 gelten die Einwohnerzahlen aus dem Zensus 2022. Rechnet man damit, sind die Teilorte Weil der Stadt und Hausen mit rund zehn Prozent unter-, die anderen Ortsteile überrepräsentiert.

„Deshalb sehen wir uns gezwungen zu handeln“, berichtet Jessica Dengel, Leiterin des Weiler Haupt- und Personalamts, und bezieht sich dabei auch auf den Ausgang der Klage in Tauberbischofsheim. Unter- oder Überrepräsentation müssten gut begründet werden – dass solche Gründe gefehlt haben, war auch bei der VGH-Klage ausschlaggebend. In Weil der Stadt gebe es keine sachliche Erklärung für die Differenzen bei den Sitzanteilen, so Dengel. Es müsse oberste Priorität haben, die Wahlen im kommenden Jahr rechtssicher abhalten zu können, ergänzt Bürgermeister Christian Walter.

Wahlbezirke Münklingen und Hausen werden zusammengelegt

In nicht-öffentlicher Vorberatung haben sich die Gemeinderäte deshalb zum Großteil für eine mögliche Zwischenlösung ausgesprochen. Für die Gemeinderatswahl 2024 sollen demnach die Sitze im Gemeinderat von aktuell 22 auf 24 erhöht werden. Außerdem sollen die Teilorte Münklingen und Hausen – die aktuell noch je über- und unterrepräsentiert sind, für die Wahl zu einem Wohnbezirk zusammengefasst werden. Die Gesamtzahl an Sitzen, drei Stück, bleibt damit zwar gleich, die Quote gleicht sich aber aus. Weil der Stadt bekommt zwei Sitze mehr als zuvor. Bei allen anderen Rechenmodellen – also ohne Zusammenlegung der Wahlbezirke oder mit mehr beziehungsweise weniger Gesamtsitzen – schlagen die Repräsentationsquoten laut Stadtverwaltung zu sehr aus. Für das vorgeschlagene Modell gibt es schließlich auch breite Zustimmung der Stadträte.

Den Zwischenschritt hat man gewählt, um eine Grundsatzentscheidung über die unechte Teilortswahl nicht so kurz vor der kommenden Wahl zu treffen. Die Frage, ob die unechte Teilortswahl in Weil der Stadt über 2024 hinaus überhaupt noch Zukunft hat, wird Verwaltung und Gemeinderat aber weiterhin beschäftigen: Bis Ende Dezember 2024 will der Gemeinderat darüber entscheiden.

Bleibt die Unechte Teilortswahl?

Dass das Gremium bereits jetzt zur Abschaffung des Wahlmodells tendiert, wurde in der jüngsten Sitzung bereits deutlich. „Es spricht einiges dafür, okay, wir lassen das mit der unechten Teilortwahl“, so Grünen-Rat Stefan Kunze. Man denke in seiner Fraktion in der Kategorie Weil der Stadt. Dass er dafür sei, die Teilortswahl „gleich abzusägen“, kommentierte auch Christian Pfaundler (AfD). Lediglich SPD-Rat Felix Mayer sprach sich betont gegen die Abschaffung der unechten Teilortswahl aus. „Ich befürchte, dass wir dann gar keine Räte aus den Teilorten mehr haben.“ Aus den Reihen der CDU und der Freien Wähler kam der Wunsch nach einer Bürgerbeteiligung – per Umfrage oder gar Bürgerentscheid.

Klar ist: Die Diskussion rund um die unechte Teilortswahl ist eine emotionale. Als „politisch hochsensibel“ bezeichnete Bürgermeister Walter das Thema. Über die Abschaffung der unechten Teilortswahl haben in der Vergangenheit auch andere Kommunen immer wieder lange diskutiert – und sie dann oft doch abgeschafft. Im ehemaligen Kreis Leonberg gibt es diese Form der Gemeinderatswahl neben Weil der Stadt nur noch in Rutesheim und Weissach. Seit den 1970er-Jahren ist die Zahl der Kommunen, die daran festhalten, stetig zurückgegangen: Damals gab es die unechte Teilortswahl in 717 Gemeinden, heute nur noch in 384.