In ganz Frankreich sind Napoleon-Büsten und Statuen zu finden. Die Verehrung wird allerdings nicht von allen Franzosen geteilt. Foto: AFP/PHILIPPE LOPEZ

In Frankreich wird erbittert über das Napoleon-Gedenken gestritten. Das macht den konstruktiven Umgang mit der eigenen Geschichte unmöglich, kommentiert unser Frankreich-Korrespondent Knut Krohn.

Paris - Hätte Emmanuel Macron alles absagen sollen? Schon einmal, zum 200-Jahre-Jubiläum der Schlacht von Austerlitz, hat ein französischer Staatspräsident ein historisch wichtiges Datum schlicht ignoriert. Damals, es war das Jahr 2005, hieß es, die Order für die Absage der großen offiziellen Feierlichkeiten sei direkt aus dem Élysée-Palast gekommen. Der gaullistische Staatschef Jacques Chirac hasste Napoleon, jenen Mann, der viele Errungenschaften der Französischen Revolution rückgängig gemacht hatte.

Macron verneigt sich vor Napoleon

Emmanuel Macron hat entschieden, sich an dessen 200. Todestag vor dem französischen Feldherrn zu verneigen. Das ist natürlich politisches Kalkül, weil er auf die Wählerstimmen im rechten Lager schielt. Den Tag auszublenden wäre aber falsch gewesen, denn Napoleon hat wie kein anderer Mensch Frankreich geprägt – im Guten, wie im Bösen. Wegen der Corona-Einschränkungen sind große Festivitäten nicht möglich und der Staatschef selbst scheint nicht unglücklich darüber, denn er bewegt sich auf vermintem Gelände.

Keine Feier, nur ein Gedenken

Er wolle Napoleon nicht feiern, so lautet die Formel aus dem Präsidentenpalast, sondern nur seiner gedenken. Den Gegnern ist allerdings das schon zu viel, den Napoleon-Fans ist es natürlich zu wenig. In den Debatten haben auf beiden Seiten längst die Schreihälse mit ihren Extrempositionen das Wort übernommen. Sie sind es aber, die eine konstruktive Auseinandersetzung mit Frankreichs Geschichte unmöglich machen.

Die Menschen haben andere Probleme

Den Einwohnern in den vernachlässigten Banlieue der Großstädte, viele Nachkommen der Sklaven von einst, ist Napoleon herzlich egal. Sinnvoll wäre es gewesen, im Rahmen der Aufarbeitung dieser dunklen Seite der französischen Geschichte, etwa Förderprogramme für diese heute benachteiligten Menschen aufzulegen. Doch anstatt sich Gedanken über sinnvolle Lösungen aktueller Probleme zu machen, wird erbittert über eine Kranzniederlegung an Napoleons Grab gestritten. So gesehen ist das Jubiläum eine verpasste Chance.